Ein Blick weit zurück: Geschichte der Hauptschule II

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Ein Bericht in der Allgemeinen Zeitung

Am 24. Juli 1969 berichtete die Allgemeine Zeitung unter der Schlagzeile „Stadt Gescher: Eine Gemeinschafts-Hauptschule für 765 Schüler eingerichtet“ über eine neue Schulform in Gescher. Diese Schlagzeile ist es wert, etwas genauer hinzuschauen.

Stadt Gescher

Erst am 1. Juli 1969 wurden in der ersten Phase der Kommunalen Neugliederung die Gemeinden Büren, Estern, Gescher, Harwick, Tungerloh-Capellen und Tungerloh-Pröbsting[1]unter Auflösung des Amtes Gescher zur Stadt Gescher zusammengeschlossen. Zum Zeitpunkt des oben zitierten Artikels war die neue Stadt erst drei Wochen alt. Die Errichtung der Hauptschule fiel praktisch mit dem Entstehen Geschers, das nun diesen Status „Stadt“ bekam, in den heutigen Grenzen zusammen. In den meisten Kommunen Nordrhein-Westfalens wurde die Schulreform bereits 1968 durchgeführt, in Gescher wartete man die Fertigstellung des neuen Schulgebäudes am Borkener Damm ab.

Gemeinschafts-Hauptschule

Während die Gymnasien und Mittelschulen schon von jeher Gemeinschaftsschulen waren, galt dies für die Volksschulen in Nordrhein-Westfalen nicht. Volksschulen waren in der Regel Bekenntnisschulen, eine Schulart, die es längst nicht in allen Bundesländern gab. Wenn nun die neue Schulform Hauptschule gleichberechtigt an die Seite von Realschule und Mittelstufe des Gymnasiums treten sollte, sollte sie auch als Gemeinschaftsschule und nicht als Konfessionsschule antreten. Nun war für die Durchführung der Schulreform, für die Kultusminister Fritz Holthoff (SPD) verantwortlich zeichnete, eine Änderung der Landesverfassung erforderlich, für die die Stimmen der oppositionellen CDU erforderlich waren. Hier tat man sich schwer damit, den Status der Konfessionsschule aufzugeben. So kam es am 5. März 1968 zu dem Kompromiss, dass die Hauptschulen zwar grundsätzlich Gemeinschaftsschulen sein sollten, in denen Schüler aller Glaubensbekenntnisse Aufnahme fanden, unter bestimmten Bedingungen Eltern aber eine Bekenntnisschule durchsetzen konnten.[2]In Gescher wird dieses Thema in den verschiedenen Gremien und in der Öffentlichkeit immer wieder diskutiert, aber letztlich bleibt es bei der Gemeinschaftsschule, die den schmucklosen Namen „Gemeinschaftshauptschule Gescher“ trägt.

759 Schüler: Die neue Hauptschule in Gescher ist damit eine der größten des Münsterlandes.

Letztlich sind es dann 759 und nicht 765 Schülerinnen und Schüler, die die neue Schule zu einer der größten des Münsterlandes und bald auch Nordrhein-Westfalens machten.
Schon 1966 hatte Kultusminister Paul Mikat (CDU) die Reform vorbereitet, indem er sowohl der achtstufigen Volksschule einen neunten Jahrgang angliederte als auch die Errichtung von Mittelpunktschulen vorsah, in denen die oberen Jahrgänge der Volksschule unterrichtet werden sollten. So kamen nun von Klasse fünf bis neun 759 Schüler in 20 Klassen zusammen, 190 Schüler allein in den 5. Klassen. (Die Hauptschule hatte damit seinerzeit eine Übergangsquote aus den vierten Klassen der Grundschulen von etwa 70 %, soviel also wie heute die Gesamtschule.) Wurde die Hauptschule (nicht nur in Gescher, sondern überhaupt) zu einer überwiegend von Jungen besuchten Schule, sind es zunächst ganz ausgewogen 378 Mädchen und 381 Jungen. Da die Schüler nun aus allen Ortsteilen kommen, nimmt mit dem ersten Tag ein Schulbusverkehr seinen Betrieb auf.

Gründungskollegium

Englisch als Fremdsprache war nun Pflicht für jeden Schüler.[3]Also brauchte man Englisch-Lehrkräfte. Nur wenige Volksschullehrer hatten die dazu nötige Lehrbefähigung in ihrer Ausbildung erworben, aber viele einen zusätzlichen Fortbildungskurs absolviert. Daher wurden aus den bisherigen Volksschulen – überwiegend, aber nicht ausschließlich aus Gescher – diese Lehrkräfte vorrangig an die Hauptschule versetzt oder abgeordnet. Dazu zählten Hannelore Becht, Georg Bergmann, Christa Bilek, Günter Hillebrand, Anni Höing und Hedwig Lietmann. Außerdem nahmen Margarethe Arnold, Johanna Bargel, Annette und Klaus Becker, Viktor Göllmann, Karin Huskamp, Herbert Krechting, Dorothea Semmelmann, Dr. Anneliese Speckmann, Josef Störkmann und Maria Winkler hier den Dienst auf. Hermann Vortmann folgte wenige Wochen (16. Oktober 1969) später und übernahm die fünfte Klasse von der für einige Zeit ausscheidenden Karin Huskamp. Schulleiter wurde Werner Marx, sein Konrektor einige Zeit später Werner Meng, Leiter der kleinen Landschule in Estern, die nun auch im Zuge der Reform aufgelöst wurde, ebenso wie die Schulen in den übrigen Bauernschaften. In Hochmoor blieb allerdings die Schule als katholische Grundschule bestehen.

Start

Am 25. August 1969 nimmt die Hauptschule in Gescher ihren Unterricht auf und wird nun für fast 50 Jahre eine wichtige Institution für Tausende von Gescherer Schülerinnen und Schülern.

[1] Wenn jemand Hochmoor vermisst: Hochmoor gehörte zu Tungerloh-Pröbsting.

[2] Hier belasse ich es bei dieser etwas grobkörnigen Beschreibung. Im Zusammenhang mit den Grundschulen in Gescher werden wir uns Kürze mit dieser Thematik ausführlicher befassen.
[3] Diese Neuerung sorgte noch über Jahrzehnte für Gesprächsstoff, waren doch viele der Meinung, vornehmlich die leistungsschwächeren Jungen und Mädchen sollten doch erst einmal ordentlich Deutsch lernen, bevor sie sich mit Englisch abplagten, eine Auffassung, die sich angesichts der zunehmenden Anglizismen und der Internationalisierung und Globalisierung vieler Lebensbereiche nicht durchsetzen konnte.