Katholische Grundschulen in Gescher

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Die rechtliche Situation

Anders als in den meisten anderen Bundesländern gibt es in Nordrhein-Westfalen öffentliche Schulen, die evangelische oder katholische Konfessionsschulen sind, also zunächst – im Prinzip sogar ausschließlich – für die Kinder gedacht sind, die der jeweiligen Konfession angehören. Das zurzeit gültige Schulgesetz von NRW sagt hierzu:

Zweiter Abschnitt
Weltanschauliche Gliederung der Grundschule und der Hauptschule

§ 26 Schularten

(1) Grundschulen sind Gemeinschaftsschulen, Bekenntnisschulen oder Weltanschauungsschulen. Hauptschulen sind in der Regel Gemeinschaftsschulen.
(2) In Gemeinschaftsschulen werden die Schülerinnen und Schüler auf der Grundlage christlicher Bildungs- und Kulturwerte in Offenheit für die christlichen Bekenntnisse und für andere religiöse und weltanschauliche Überzeugungen gemeinsam unterrichtet und erzogen.
(3) In Bekenntnisschulen werden Kinder des katholischen oder des evangelischen Glaubens oder einer anderen Religionsgemeinschaft nach den Grundsätzen des betreffenden Bekenntnisses unterrichtet und erzogen. Zum evangelischen Bekenntnis im Sinne dieser Vorschrift gehören auch die bekenntnisverwandten Gemeinschaften.
(4) In Weltanschauungsschulen werden die Schülerinnen und Schüler nach den Grundsätzen ihrer Weltanschauung unterrichtet und erzogen. An Weltanschauungsschulen wird Religionsunterricht nicht erteilt.
(5) In Gemeinden mit verschiedenen Schularten können die Eltern die Schulart zu Beginn jedes Schuljahres wählen. Der Wechsel in eine Schule einer anderen Schulart ist während des Schuljahres nur aus wichtigem Grund zulässig. Schülerinnen und Schüler einer Minderheit können die Schule einer benachbarten Gemeinde besuchen, falls in ihrer Gemeinde die gewünschte Schulart nicht besteht.
(6) In Schulen aller Schularten soll bei der Lehrereinstellung auf die Kon­fession der Schülerinnen und Schüler Rücksicht genommen werden. Leh­rerinnen und Lehrer an Bekenntnisschulen müssen dem betreffenden Be­kenntnis angehören und bereit sein, an diesen Schulen zu unterrichten und zu erziehen.
(7) An einer Bekenntnisschule mit mehr als zwölf Schülerinnen und Schü­lern einer konfessionellen Minderheit ist eine Lehrerin oder ein Lehrer des Bekenntnisses der Minderheit einzustellen, die oder der Religionsunter­richt erteilt und in anderen Fächern unterrichtet. Weitere Lehrerinnen und Lehrer des Bekenntnisses der Minderheit sind unter Berücksichtigung der Zahl der Schülerinnen und Schüler der Minderheit und der Gesamtschüler­zahl der Schule einzustellen.

Dieser Paragraph hat es in sich:

  • Zum Beispiel Ziffer 3: In einer Bekenntnisschule (= Konfessionsschule) werden die Kinder nach den Grundsätzen des jeweiligen Bekenntnisses „unterrichtet und erzogen“ – alle Kinder sind hier gemeint, in einer katholischen Schule also auch die nichtkatholischen Kinder.
  • Zum Beispiel Ziffer 5: „Schülerinnen und Schüler einer Minderheit können die Schule einer benachbarten Gemeinde besuchen.“ Das heißt im Klartext für Gescher, dass evangelische Eltern ihre Kinder nach Coesfeld schicken können, wenn ihr Kind an einer evangelischen Konfessionsschule „unterrichtet und erzogen“ (Ziffer 3) werden soll.
  • Zum Beispiel Ziffer 6: „Lehrerinnen und Lehrer an Bekenntnisschulen müssen dem betreffenden Bekenntnis angehören …“ Ich wage die Einschätzung, dass es nur wenige Bekenntnisschulen gibt, an denen dies der Fall ist. Faktisch hält die Schulaufsicht auf den verschiedenen Ebenen das Gesetz in diesem Punkt nicht ein
  • Zum Beispiel Ziffer 7: In den katholischen Grundschulen Geschers gibt es evangelische Schülerinnen und Schüler, natürlich mehr als zwölf, und daher auch grundsätzlich den dazugehörigen Religionsunterricht samt zugehörigen Lehrkräften.

Die Geschichte

In früheren Jahrzehnten war es üblich, dass die Schulbezirke der Volksschulen, auf die die Tradition der Konfessionsschulen zurückgeht, mit den Grenzen der jeweiligen Kirchengemeinde weitgehend übereinstimmten, so dass die Zusammenarbeit zwischen Pfarrgemeinde und Schule die Kinder ganz organisch auch in das Gemeindeleben einführte. Heute entfällt dieses Zusammenspiel aus verschiedenen Gründen, nicht nur die Schulbezirke sind – sofern es sie gibt – nach anderen Kriterien zugeschnitten, auch die Fusionen und Organisationsreformen der Kirchengemeinden erlauben eine solche Zuordnung heute nicht mehr. Als 1968 in Nordrhein-Westfalen die Volksschulen auch räumlich in Grundschulen und Hauptschulen getrennt wurden, blieb im politischen Prozess vor der notwendigen Verfassungsänderung die Schulart Bekenntnisschule (ebenso die Weltanschauungsschule, die hier nicht weiter von Interesse ist) erhalten, in der Grundschule ebenso wie in der Hauptschule. Hauptschulen wurden allerdings schon von Amts wegen als Gemeinschaftsschulen errichtet, können jedoch auf Antrag der Eltern in einem festgelegten Verfahren in Konfessionsschulen umgewandelt werden.

Und heute?

Die Frage darf heute erlaubt sein, ob es in einer Stadt mit 17.164 Einwohnern[1], von denen 85 % katholisch, 12 % evangelisch und 3 % nicht getauft sind[2], richtig ist, dass es ausschließlich katholische Grundschulen gibt. Betrachtet man die Schülerschaften der einzelnen Grundschulen gesondert, dürften die Prozentzahlen noch deutliche Unterschiede aufweisen. Der Anteil evangelischer Christen ist in Hochmoor sicher größer als im Stadtkern. Ist angesichts der vorbildlichen ökumenischen Praxis der beiden Konfessionen in Gescher die Schulart Gemeinschaftsgrundschule für alle drei Standorte (Pankratiusschule, Von-Galen-Schule und Grundschule auf dem Hochmoor) eine angemessene Lösung? „In Gemeinschaftsschulen werden die Schülerinnen und Schüler auf der Grundlage christlicher Bildungs- und Kulturwertein Offenheit für die christlichen Bekenntnisse und für andere religiöse und weltanschauliche Überzeugungen gemeinsam unterrichtet und erzogen.“[3] In dieser Aussage des Schulgesetzes könnte ein Teil der Antwort zu finden sein.

Wie funktioniert ein Wechsel von einer Konfessionsschule zu einer Gemeinschaftsschule?

Das sagt das Schulgesetz in § 27:

„(3) Bestehende Grundschulen sind in eine andere Schulart umzuwandeln, wenn die Eltern eines Fünftels der Schülerinnen und Schüler der Schule dies beantragen und wenn sich anschließend die Eltern von zwei Dritteln der Schülerinnen und Schüler in einem Abstimmungsverfahren dafür entscheiden.
(4) Die Eltern haben für jedes Kind gemeinsam eine Stimme. Das Abstimmungsverfahren ist geheim. Die Einzelheiten des Verfahrens regelt das Ministerium durch Rechtsverordnung.“

Auch hier gilt also: Die Eltern bestimmen die Schulart der Schule, sie entscheiden darüber in einem demokratischen Verfahren, ob die Schule eine Gemeinschaftsschule wird oder eine (in diesem Fall katholische) Bekenntnisschule bleibt. Voraussetzung ist aber ein Antrag von Eltern.


[1] lt. Wikipedia (Artikel „Gescher) Stand von 2010
[2] vgl. a. a. O.
[3]Schulgesetz NRW, § 26, Ziff. 2 – Hervorhebung vom Autor