Stadtlohn und das gegliederte Schulwesen – eine Analyse

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Stadtlohns Verwaltung mit Schulsystem zufrieden

Der Erste Beigeordnete der Stadt Stadtlohn bringt seine Einschätzung auf den Punkt: Stadtlohns Eltern sind mit dem bestehenden gegliederten Schulsystem zufrieden – so seine Aussage im Schulausschuss. Laut Bericht der Münsterland-Zeitung sind dabei drei Zahlen wichtig und zu analysieren:

Die Zahl der Kinder aus Gescher, die am Stadtlohner Gymnasium angemeldet wurden, hat sich halbiert.

Das ist zunächst einmal ein Erfolg der Gescheraner Schulpolitik. Die Vorteile liegen auf der Hand:
  • Gescheraner Kinder und ihre Eltern haben von ihren Wahlmöglichkeiten Gebrauch gemacht. Wer einen kürzeren Weg zur Schule, aber den um ein Jahr längeren Weg zum Abitur (G 9) wünscht, hat sich in Gescher angemeldet, die für den kürzeren Weg zum Abitur (G 8) trotz längerem Schulweg votieren, fahren nach Stadtlohn (oder Coesfeld).
  • Die Stadtentwicklung Geschers wird befördert: Gescheraner Schüler werden zu einem weit höheren Anteil an ihre Heimatstadt gebunden. Die Möglichkeit, in Gescher die Allgemeine Hochschulreife zu erwerben, ist ein Standortfaktor, der für die Mischung der Einwohnerschaft auf Dauer nicht ohne positive Folgen bleiben wird.

Nach Aussagen des Ersten Beigeordneten Pettirsch ist auch Stadtlohn mit dieser Zahl zufrieden, man habe genau damit gerechnet.

  • Dann allerdings war der Vorbehalt gegen die Gesamtschule in Gescher absurd, den man im Beteiligungsverfahren äußerte. Relevanz können in solchen Verfahren nur Befürchtungen erhalten, die den Bestand der Schule überhaupt betreffen.
  • Wenn die Entwicklung sich verstetigt, wird Stadtlohn auf Dauer ein Gymnasium haben, das höchstens wegen des demographischen Wandels Schwierigkeiten haben wird – wie fast alle Schulen, nicht nur die weiterführenden, wie das Beispiel Katholische Grundschule auf dem Hochmoor zeigt.

Die Realschulen in Stadtlohn erhalten 26 Kinder aus Vreden

Vreden ist in einer Situation, die etwas problematisch ist. Besuchten vor 1992 die Stadtlohner Kinder das Gymnasium in Vreden und die Vredener Kinder die Realschulen in Stadtlohn, war die Errichtung des Stadtlohner Gymnasiums gewissermaßen eine Kriegserklärung an Vreden: Man löste die bewährte Symbiose auf, im Gegenzug baute Vreden eine Realschule (direkt neben die Walbertschule, eine Hauptschule). Meine damalige Voraussage (in der Funktion des zuständigen Schulaufsichtsbeamten) ist eingetroffen: In Vreden und in Stadtlohn wurde in der Folge je eine Hauptschule geschlossen. Und in Vreden hat man nun die zweite Hauptschule und die neue Realschule zugunsten einer neu errichteten Sekundarschule zusammengeführt. Immerhin ein Zug – 26 Schülerinnen und Schüler – hat sich in Stadtlohn an der Realschule angemeldet. Die Gründe mögen vielfältig sein, sie können in der Tradition liegen, sie können im Konzept der neuen Sekundarschule liegen, im Ganztagsangebot … Das Fazit von Herrn Pettirsch: „Pettirsch: ‚Das sind 26 Schüler aus Vreden, die nicht zu einer Sekundarschule wollen.‘ Aus Stadtlohn hingegen sei kein einziges Kind bei der neuen Schule angemeldet worden. Sein Fazit aus Sicht der Verwaltung formulierte der Erste Beigeordnete so: Stadtlohn brauche nicht unbedingt eine eigene Sekundarschule. Auch sei kein Zulauf in Richtung Gesamtschule erkennbar.“

Nur noch 19,12 % Übergangsquote zur Hauptschule

Zuvor hatte Günter Wehning als Leiter des Fachbereichs die Übergangsquoten zu den weiterführenden Schulen im Detail vorgestellt. Dabei nahm er auch die langfristige Entwicklung seit 1992 in den Blick. Während die Quoten zum Gymnasium und der Realschule seitdem gestiegen sind, ist die zur Hauptschule auf aktuell 19,12 Prozent gesunken.“ So endet die Meldung in der Zeitung. In die Zufriedenheit der Aussagen zu Gymnasium und Realschule passt dies so gar nicht. Diese Zahl lässt der Erste Beigeordnete dann auch den Untergebenen vortragen, damit ist kein Lorbeer zu ernten. Im gegliederten Schulsystem Stadtlohns besucht nicht etwa ein Drittel, sondern nur ein Fünftel die einzig verbliebene Hauptschule, die Losbergschule. Und die Schulforschung belegt: Ist die Zwanzig-Prozent-Marke einmal unterschritten, dann führen die weiteren Schritte rasant abwärts. Da hilft – wie man sieht – auch nicht die erhebliche Investition in Renovierung und Ausbau zur Ganztagsschule. Die Prognose ist erlaubt: Das gegliedrte Schulsystem in Stadtlohn wird über kurz oder lang seine Hauptschule verlieren, und damit stellt sich die Systemfrage völlig neu.

Fazit

  1. Gescher hat alles richtig gemacht. Die Anmeldezahlen belegen die Akzeptanz der neuen Schule.
  2. Stadtlohn wird ein Problem bekommen, weil auch die noch verbliebene Hauptschule nicht lange mehr sinnvoll existieren wird. Die Aussage des Ersten Beigeordneten Pettirsch im Schulausschuss, die Eltern seien mit dem gegliederten Schulsystem zufrieden, trifft nur für den „oberen Teil“, nämlich Gymnasium und Realschule, zu.
  3. Vreden hat ein Problem, weil die Stadt halbherzig vorgegangen ist: Die Sekundarschule ist im Wesentlichen eine Gesamtschule ohne gymnasiale Oberstufe. Die kleine Mittelstadt Vreden (ca. 22.000 Einwohner) bietet nun aber in den Klassen 5 bis 10 zwei gymnasiale Bildungsgänge an, einen in der Sekundarschule, die eben nicht die Zusammenführung von Haupt- und Realschule ist, sondern auch gymnasial orientierte Schülerinnen und Schüler braucht, und einen im Gymnasium. Und wenn die Realschüler in der Größenordnung eines Zuges nach Stadtlohn abwandern, dann hat man in Vreden mehr als einen Fehler gemacht. Wahrscheinlich wäre ein System, beispielsweise eine fünf- oder sechszügige Gesamtschule das Mittel der Wahl gewesen.