Noch im alten Jahr hat sich Herr Öhmann, Bürgermeister der Kreisstadt Coesfeld, zur Stadtentwicklung, auch zur Schulentwicklung in der Allgemeinen Zeitung geäußert. Man kann ihm teils zustimmen, muss ihm aber auch deutlich widersprechen.
Wo er recht hat, hat er recht.
„Letztlich entscheidet nicht die Schulform, sondern das Engagement der Lehrer.“ Völlig richtig – solange ein Schulsystem als Ganzes funktioniert, ist nicht nur Engagement, sondern auch Qualität, Ausbildung und Fortbildung der Lehrerinnen und Lehrer ausschlaggebend für die gute oder weniger gute Arbeit einer Schule. Diesen Fehler hat die Politik in den letzten Jahrzehnten des vergangenen Jahrhunderts gemacht: Man hat eine Diskussion über Schulstrukturen geführt, im wesentlichen dreigliedriges Schulsystem gegen Gesamtschule – und damit faktisch nur über die Klassen 5 bis 10 gestritten.
Aber Unsinn darf auch so bezeichnet werden.
- „Außerdem ist jede Schul-Anmeldung eine konkrete Elternbefragung unter Berücksichtigung der Schullandschaft in der Region.“ Das stimmt nur im Einzelfall, man stelle sich aber das Kind mit der Hauptschulempfehlung vor, das in Lette wohnt. Soll es nach Gescher fahren? Nach Billerbeck oder Osterwick? Die Schulforschung lehrt, dass die Nähe zur Schule für die Eltern auch ein wichtiges Kriterium ist, zumal neben den großen Entfernungen in ländlichen Regionen die öffentlichen Verkehrsmittel auch unzureichend getaktet sind. Also werden die Eltern vornehmlich eine Schule in Coesfeld wählen, wenn es nicht anders geht – und nur dann – wählen sie die Hauptschule, lieber die Realschule. In der Folge verschieben sich die Übergangsquoten zugunsten der Realschule, zuungunsten der Hauptschule, mit Qualitätseinbußen für beide Schulformen.
- „Die wenige Monate zuvor erfolgten Schulanmeldungen zeigten eine Übergangsquote zu den Hauptschulen von 15 % auf konstantem Niveau, die Übergangsquote zu den Realschulen hat sich deutlich von rd. 41 % auf 47,5 % erhöht.“ Wenn in einer Stadt von ehedem vier Hauptschulen eine übrig ist, scheint das Wort „konstant“ die Übergangsquoten nicht korrekt zu beschreiben. Und woher kommt die Zunahme bei den Realschulen? Nur von den Gymnasien? – Unsinn!
Wichtiger aber noch ist: Die Hauptschule war in den 60-er Jahren die Nachfolgerin der Volksschuloberstufe und startete mit Übergangsquoten von 60 % und mehr. Das heißt, dass die Schulform Hauptschule für ein anderes, viermal größeres Segment der Schülerschaft konzipiert wurde, als sie jetzt bedient. Dass hier eine negative Auslese stattgefunden hat, wird niemand ernsthaft bezweifeln können. Obwohl sich auch die Schülerschaft der Hauptschule aus leistungsstärkeren und leistungsschwächeren Schülern zusammensetzt, muss man leider feststellen, dass sich hier die Kinder mit den größten Lern- und Erziehungsproblemen des Systems finden. Der Grund dafür liegt auch darin, dass sich Realschulen und Gymnasien dieser Schüler durch Abschulung entledigen können – und dies auch schamlos tun.
Fazit
Die Hauptschule ist der Dreh- und Angelpunkt der Schulentwicklung. Wenn sie nicht mehr einen größeren Teil der Schülerschaft der Sekundarstufe I aufnimmt – was im ganzen Bundesgebiet nicht mehr der Fall ist – dann finden sich die meisten potentiellen Hauptschüler in der Realschule wieder, viele potentielle Realschüler im Gymnasium.Diese Querverschiebung belastet alle drei Schulformen.
In der Hauptschule finden sich dann überwiegend Schüler, die in Realschule und Gymnasium nicht beschult werden können. Damit erhält die Hauptschule die Funktion und den Ruf des „Ausputzers“ des Systems. Realschule und Gymnasium können sich störender Schüler entledigen, daher braucht es die dritte Schulform. Aber dafür ist sie weder gedacht noch geeignet.
Es ist kein Zufall, dass das dreigliedrige System die gesellschaftliche Schichtung abbildet, seine Befürworter sind in der Regel die Eltern von Realschülern und Gymnasiasten, die sicherstellen wollen, dass ihre Kinder unter sich bleiben. Die in Hamburg gescheiterte Primarschule zeigt dies ganz deutlich: Die erfolgreiche Bürgerinitiative, die sich gegen ein gemeinsames Lernen von Klasse 1 bis 6 wandte, wurde überwiegend von Eltern aus Stadtteilen wie Blankenese getragen, die Eltern mit Migrationshintergrund hingegen waren zur Abstimmung beim Bürgerentscheid nicht zugelassen.
Es ist kein Zufall, dass das dreigliedrige System die gesellschaftliche Schichtung abbildet, seine Befürworter sind in der Regel die Eltern von Realschülern und Gymnasiasten, die sicherstellen wollen, dass ihre Kinder unter sich bleiben. Die in Hamburg gescheiterte Primarschule zeigt dies ganz deutlich: Die erfolgreiche Bürgerinitiative, die sich gegen ein gemeinsames Lernen von Klasse 1 bis 6 wandte, wurde überwiegend von Eltern aus Stadtteilen wie Blankenese getragen, die Eltern mit Migrationshintergrund hingegen waren zur Abstimmung beim Bürgerentscheid nicht zugelassen.