Ein Blick zurück
Wer nach dem Zweiten Weltkrieg Volksschullehrer wurde, hatte sich für einen Beruf entschieden, der mit einer recht kurzen Ausbildung, nämlich vier Semestern an einer Pädagogischen Akademie, zu erreichen war. Die Akademie galt lange – bis 1964 in Nordrhein-Westfalen – nicht als „wissenschaftliche“ Hochschule. „Lange hatten die Akademien keinen eigenständigen Rechtscharakter, sie bildeten Institute unter dem Kultusministerium. Erst die Vorläufige Satzung der Pädagogischen Akademien des Landes NRW von 1954 begann mit einer Rektoratsverfassung und einem eingeschränkten Selbstergänzungsrecht der Professorenschaft eine hochschulmäßige Umgestaltung. Ein Schritt zur Verwissenschaftlichung der Akademien war die Verlängerung des viersemestrigen zum sechssemestrige Studium, die Anforderung eines breiter angelegten erziehungswissenschaftlichen Anteils und die Einführung eines Wahlfaches mit fachwissenschaftlichem Bezug durch die Studien- und Prüfungsordnung von 1957.“[1]
Als ich meinen Beruf wählte, war lange klar, dass ich Lehrer werden wollte. Ich entschied mich dafür, Sonderschullehrer zu werden – um es vorweg zu nehmen: Ich wurde es später nicht. Der Weg zum Sonderschullehrer führte u. a. über das Lehramt an der Volksschule, das man mit einem Zusatzstudium aufhübschen konnte, zum Beispiel zum Lehramt für die Realschule oder zum Lehramt für die Sonderschule. Diese Konstruktion führte zu zwei Wahrnehmungen: Realschullehrer und Sonderschullehrer waren „mehr“ als Volksschullehrer, mussten sie doch länger und mehr lernen, und außerdem war es nur gerecht, dass sie mehr verdienten.[2]
Mit einem Gesetz von 1964 änderte sich der Status der Pädagogischen Hochschulen in NRW entscheidend: Die seit 1962 nicht mehr als „Akademien“, sondern nunmehr als „Hochschulen“ bezeichneten Einrichtungen wurden zu „Wissenschaftlichen Hochschulen“, ihre Rektoren Mitglieder der Westdeutschen Rektorenkonferenz (WRK). Bis 1970 erhielten sie auch die Rechte wissenschaftlicher Hochschulen: „Mit der bildungspolitischen Gesetzgebung der Jahre 1965 bis 1970 erreichten die Pädagogischen Hochschulen in NRW zumindest formal den Rang wissenschaftlicher Einrichtungen. Mit dem Ende der konfessionellen Bindung (1969), der besoldungsrechtlichen Gleichstellung von PH-Professoren und Universitätsprofessoren sowie der Verleihung des Diplomierungs-, Habilitations- (1968) und Promotionsrechts (1970) wurden sie wissenschaftliche Hochschulen.“[3] 1980 endete dieser Angleichungsprozess mit der Integration der Pädagogischen Hochschulen in die Universitäten des Landes.
Das hatte auch Folgen für die Besoldung der Absolventen, der Volksschullehrer, die zwar mehrfach aufrückten, aber immer noch am Ende der Besoldungsskala für Lehrer blieben. Das änderte sich auch nicht, als ihre Ausbildung um einen Vorbereitungsdienst, wenn auch ein halbes Jahr kürzer als bei Realschul- und Gymnasiallehrern, aufgestockt wurde. Das änderte sich auch nicht, als die Volksschule in Grundschule und Hauptschule zerlegt wurde.
Schulstufenlehramt statt Schulformlehramt
Und dann kam etwas gänzlich Neues: Die bislang schulformbezogenen Lehrämter (Studienräte für das Gymnasium, Realschullehrer für die Realschule, Volksschullehrer für die Grund- und Hauptschule) wurden durch ein Lehrerausbildungsgesetz von 1974 übergeführt in eine schulstufenbezogene Lehrerausbildung. Es gab nun ein Lehramt für die Primarstufe (Klasse 1 bis 4), für die Sekundarstufe I (Klasse 5 bis 10) und für die Sekundarstufe II (Klasse 11 bis 13). Mit dem gleichen Gesetz wurde festgelegt, dass die Volksschullehrer in allen Schulformen eingesetzt werden konnten, in denen es Klassenstufen gab, die auch in der Volksschule vertreten waren. Sie konnten also in der Grundschule, der Hauptschule, der Realschule, dem Gymnasium und der Gesamtschule unterrichten.
Der „Lehrer für die Sekundarstufe I“ hatte darüber hinaus auch die formale Lehrbefähigung für die Klassen 5 bis 10 in allen Schulformen, gleich ob Gymnasium, Gesamtschule, Realschule oder Hauptschule – ausgenommen waren die Sonderschulen. Der Vorbereitungsdienst lag ab 1978 für alle Lehrämter bei eineinhalb Jahren.
Gleiche Ausbildung – unterschiedliche Bezahlung
Betrachten wir den Lehrer für die Sekundarstufe I näher: Alle Lehramtsstudenten studierten ab 1980 an der Universität ihre Fächer, alle saßen miteinander im Vorbereitungsdienst, in denselben Fachseminaren bei denselben Ausbildern, den Fachleitern, die aus allen Schulformen der Sekundarstufe I kamen.
Ich war in dieser Zeit stellvertretender Leiter des Seminars in Coesfeld, an dem die Lehramtsanwärter der Sekundarstufe I ihren Vorbereitungsdienst absolvierten. Daher kann ich verbindlich sagen: Wer nach dem Zweiten Staatsexamen in welche Schulform kam, war purer Zufall. Was niemand verstand, war, das sie dennoch unterschiedlich viel Geld bekamen: Der, den es ans Gymnasium verschlagen hatte, verdiente so viel wie seine Kollegen, die bereits am Gymnasium waren, (A 13 plus Zulage), der Sek-I-Lehrer an der Realschule so viel wie die Realschullehrer alter Art (A 13) und der S-I-Lehrer an der Hauptschule das gleiche wie der Volksschullehrer (A 12). Dieser Unsinn geht übrigens bis heute. Er hat sich über dreißig Jahre gehalten.
In den letzten Jahren wurde die Lehrerausbildung wiederholt modifiziert; der Schulformbezug wurde wieder stärker eingeführt.
>Es gibt nun (seit 2003)
- Lehramt an Grundschulen
- Lehramt an Haupt-, Real- und Gesamtschulen
- Lehramt an Gymnasien und Gesamtschulen
- Lehramt an Berufskollegs
- Lehramt für sonderpädagogische Förderung.
Was es nicht mehr gibt: ein Lehramt für nur eine Schulform der Sekundarstufe I.
Fazit
Die Lehrer an Hauptschulen werden seit über dreißig Jahren nicht nur gleich lang und gleich gut ausgebildet wie ihre Kollegen an den anderen Schulen der Sekundarstufe I, sie werden gleich ausgebildet.
Sie haben dieselben Berechtigungen als Lehrbefähigung erworben.
Sie erhalten für ihre schwere Arbeit weniger Geld. Und – nebenbei bemerkt – müssen mehr Stunden unterrichten, als die Kollegen in den anderen Schulformen.
Aktuelles
Ich werde in Gescher wiederholt gefragt, ob denn die Lahrer der (Don-Bosco-)Hauptschule an der neuen Gesamtschule unterrichten könnten. Die Antwort ist für jede und jeden uneingeschränkt: Ja. Sie können es, was die formale Berechtigung angeht, sie können es allemal, was ihre Qualifikation angeht.