Ein Interview mit Frust

Gepostet von

Herr Bamberg verabschiedet sich als Leiter des Gymnasium Nepomucenum in Coesfeld

In der heutigen Ausgabe – am 24. Juni 2014 – der Allgemeinen Zeitung aus Coesfeld steht ein Interview mit dem scheidenden Schulleiter des traditionsreichen Gymnasiums Nepomucenum (oder des „Nepomuc“, wie die Coesfelder abkürzend sagen). Hier lädt er seinen gesammelten Frust ab.

Schauen wir uns das einmal genauer an.

Schon die Überschrift ist erstaunlich: „Klares Nein zur Einheitsschule“.

„Einheitsschule“ ist ein Begriff, der in der Zeit um 1848 vom „Deutschen Allgemeinen Lehrerverein“ für ein Bildungssystem für alle Kinder entstanden ist – um diese Zeit ein revolutionärer Gedanke, so revolutionär, dass Preußen seine Lehrerseminare, also die Ausbildung der Lehrer, aus den unruhigen Metropolen heraus in die Provinz, in ländliche Gebiete verlagerte.
Um 1920 und später kam es zu verschiedenen Anläufen, das ständisch orientierte dreigliedrige Schulwesen durch „Einheitsschulen“ abzulösen, zu denen alle Kinder Zugang hatten. Dauerhaften Erfolg hatte man bei der Grundschule; hier schrieb die Weimarer Verfassung vor, dass die Grundschule eine Schule für alle Kinder zu sein hatte. Privatlehrer für die Erziehung von Reichen oder Mächtigen war damit nicht mehr möglich. Das Ziel war nicht ausschließlich ein pädagogisches, sondern auch ein gesellschaftspolitisches. In diesem Sinne verlangten auch die Alliierten nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland eine Abschaffung des gegliederten Schulwesens, setzten dies aber letztlich nicht durch.
In den ideologisch geprägten Bildungsdiskussionen der siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts wurde „Einheitsschule“ zum Kampfbegriff der Streiter für den Erhalt des gegliederten Schulwesens. Man könnte sagen: Hier ist Herr Bamberg stehen geblieben, wenn er sich so plakativ äußert. Einheitsschulen im ursprünglichen Sinne sind heute verschiedene Schulen der Reformpädagogik (Montessorischulen, Waldorfschulen …), aber auch die integrativen Systeme wie Gemeinschafts-, Sekundar- und Gesamtschulen.

„Ein neues Angebot darf laut Schulgesetz nur ergänzend zum bestehenden erfolgen“ – Eine glatte Falschaussage

Dies steht an keiner Stelle im Schulgesetz. Wie etliche Beispiele in der Nachbarschaft zeigen, ersetzen Schulträger reihenweise bestehende Schulen durch Schulen einer anderen Schulform: Ahaus, Borken, Gescher … um nur einige zu nennen.

„Ich habe schon vor Jahren gesagt, dass die künftigen Schülerzahlen drei Gymnasien nicht tragen werden.“ – Wo er Recht hat, hat er Recht.

Das zeigt die heutige Entwicklung schon. Das private Pius-Gymnasium hat zugelegt, die beiden städtischen schwächeln unterschiedlich stark. Die Präferenzen der Eltern wechseln, aber die letzte Anmelderunde hat den Coesfelder Gymnasien deutlich die demografisch bedingten Grenzen aufgezeigt.

„Es darf nicht sein, dass eine Momentaufnahme von 140 Elternunterschriften über die Zukunft dieses Schulstandortes entscheidet.“ – Nein, der Schulträger entscheidet.

Natürlich entscheiden die Eltern auch – aber mittelbar. Zunächst werden sie befragt, wenn der Schulträger seine Entscheidung vorbereitet, dann entscheidet jedes Elternteil oder -paar durch sein Anmeldeverhalten. Ein Blick in die Landesverfassung könnte Herrn Bamberg helfen: Die Eltern werden hier in erster Linie genannt, wenn es darum geht, wer über das Schulwesen entscheidet.

Was ist Inklusion ist – oder sein kann -, hat Herr Bamberg nicht verstanden.

Wie schon bei der Integration und der Sprachförderung der Migranten will er die Beschulung von Behinderten, die nicht zielgleich, sondern zieldifferent unterrichtet werden müssen, den anderen Schulformen überlassen, am Ende also wieder den Hauptschulen. Ihnen will er erneut eine Aufgabe der Sorte aufbürden, die sie zum Ausputzer und zum Verlierer des Systems gemacht hat.

Ein Abschied in Würde wäre besser gewesen.

Eine ängstliche Abwehrhaltung gegenüber konkurrierenden Schulformen, eine Zuweisung von schwierigen gesellschaftlichen und pädagogischen Aufgaben an andere Schulformen, eine Abwertung des Elternwillens – all das ist nicht gut. Souverän geht anders.