Fuest, Ada/John, Friedel/Wenke, Matthias (Hrsg.): Handbuch der individualpsychologischen Beratung in Theorie und Praxis. Zusammenhänge erschließen – Horizonte öffnen.
Waxmann Münster New York 2014. 488 Seiten. 59,90 €
Diesmal etwas für diejenigen, die – ob als Pädagogen oder in anderen sozialen Berufen – mit Beratung zu tun haben. Ich habe die folgende Rezension für die Zeitschrift engagement – Zeitschrift für Erziehung und Schule verfasst. Sie ist im Heft 1/2015, S. 56 f erschienen.
„Die Herausgeber haben sich viel vorgenommen: Es geht um ein „solides Fundament für die individualpsychologische Beratung in Theorie und Praxis“. Als Adressaten nehmen sie dabei in erster Linie Berater und Therapeuten, aber auch Studenten, Erzieher, Lehrer, Ausbilder, Juristen, Theologen – kurz eigentlich alle sozialen Berufe bis hin zu Managern und Führungskräften in den Blick; gleichzeitig sollen es auch potentielle Klienten lesen können. Damit werden sehr unterschiedliche Vorbedingungen ins Auge gefasst, unterschiedliche Berufsfelder, unterschiedliche Kenntnisse, unterschiedliche Aufgaben. Der Charakter des Werkes als Handbuch kommt dem entgegen, handelt es sich doch um eine Sammlung von Kapiteln, die für sich lesbar sind, gleichwohl in der Summe bei aller Verschiedenheit einen stimmigen Eindruck vermitteln.
Betrachtet man die Gliederung, fällt auf, dass die Herausgeber dem Werk eine Struktur zugrunde legen, die dem Anspruch der „Theorie“ durchaus genügen soll und kann. Am Anfang steht das Menschenbild Adlers bzw. der Individualpsychologie, diese wird auch in der Philosophie der Zeit ihrer Entstehung (Edmund Husserl) verortet und in Schwerpunkten vorgestellt. Die deutlich auf die Praxis zielenden Anteile werden unter „Lebensstil“, „Lebensaufgaben“ und „Fallbeispiele individualpsychologischer Beratung“ beschrieben und bearbeitet, auch die systematischen Ansätze („Zentrale individualpsychologische Begriffe“ und „Methoden individualpsychologischer Beratung“) werden durch Praxisbezug konkretisiert. Die Fallbeispiele stellen sich überwiegend als konkrete Hinweise zur möglichen Gestaltung von thematisch orientierten Beratungssituationen dar, weniger um Analyse von Einzelfällen.
Denkt man an mögliche Lesergruppen, so ist das Werk gewiss eine gute Einführung in die Individualpsychologie, die Studenten, interessierte Laien und Mitglieder von Fort- und Weiterbildungsgruppen mit Gewinn nutzen können. Für die Praxis sozialer Berufe wie Sozialpädagogen, Lehrer oder Erzieher bietet es Orientierung und gerade auch durch seine vielen Verweise auf konkrete Fälle Hinweise für die eigene Arbeit. Wer bereits als Berater oder Therapeut mit der Materie vertraut ist, wird das Buch nutzen können, um seine Praxis mit aktuellen Darstellungen und Praxen anderer abzugleichen.
Die umfangreiche Literaturliste am Ende des Buches liefert die Fundstellen der verwendeten Zitate, zeigt in dieser Zusammenstellung auch, dass sowohl Entstehung, Geschichte und aktueller Stand der Entwicklung der Individualpsychologie verarbeitet wurden. Die Liste der Autoren und Autorinnen im Anhang erscheint eher unsystematisch; manche beschreiben knapp ihren beruflichen Status, andere schreiben eine Art Kurzvita auf, wieder andere nennen ihre Kontaktdaten mit E-Mail- und Wohnadresse.
Wer Interesse an einer Aus- oder Weiterbildung zu Themen der Individualpsychologie bekommt, wird am Ende des Buches fündig: Hier wird die DGIP (Deutsche Gesellschaft für Individualpsychologie) vorgestellt, es folgt ein Hinweis auf das AAIN (Alfred-Adler-Institut Nord e. V.) mit seinen Kontaktdaten.
Fazit
Alles in Allem finden wir hier ein Buch vor, das der selbstgestellten Aufgabe gerecht wird. Die Individualpsychologie ist weit verbreitet und fachlich anerkannt. Sie kann Unterschiedliches leisten: Beratung, Therapie, aber auch eine Analyse von Personen, Motiven und Handlungen in Alltagssituationen pädagogischer, sozialer oder heilender Berufe. Das Werk ist nicht als Lehrbuch, sondern als Handbuch konzipiert; in dieser Funktion ist es mit Gewinn zu nutzen. Die Fokussierung auf „Beratung“ ist angesichts der Auswahl der Autoren und ihrer beruflichen Erfahrungen sinnvoll, wenn auch viele der geschilderten Grundlagen für andere Anwendungsgebiete gelten.“