Alle Jahre wieder …
… klopft sich Coesfeld auf die Schulter:
„Zugelegt haben – wie schon im Vorjahr – die beiden Realschulen. Die Freiherr-vom Stein-Realschule hat sogar so viele Anmeldungen, dass sie im nächsten Schuljahr mit fünf Klassen startet.“ (Allgemeine Zeitung vom 11. März 2017)
Der Leser und die Leserin reiben sich verwundert die Augen. Schaut man sich die Tabelle an, dann hat die Freiherr-vom-Stein-Realschule zwar 117 Anmeldungen in 2017 und 101 in 2016, also 16 Schüler gewonnen. Die Theodor-Heuss-Schule hingegen verliert 15 Schüler, von 115 im letzten auf 100 in diesem Jahr. Das macht erstens nur einen „Gewinn“ von exakt einem Schüler, zweitens haben erst recht nicht beide Realschulen zugelegt. Es handelt sich einfach um eine Verschiebung.
Richtig ist allerdings, dass die Schulform Realschule im Rahmen des gegliederten Schulwesens besser dasteht als die Hauptschule. In Coesfeld gibt es für die Hauptschule 33 Anmeldungen in diesem, 32 im letzten Jahr. Auch hier also ein „Gewinn“ von einem Schüler. Und die Gymnasien? Die verlieren Anmeldungen, von 257 im vergangenen Jahr auf 241 in diesem. Ein „Verlust“ von 16 Schülern.
Schaut man sich die Verteilung auf die Schulformen an, findet man von den 491 angemeldeten Schülern
- 33 in der Hauptschule ( 7 %)
- 217 in der Realschule (44 %)
- 241 im Gymnasium (49 %)
Und die Vergleichszahlen für 2016:
- 32 in der Hauptschule ( 6 %)
- 216 in der Realschule (43 %)
- 257 im Gymnasium (51 %)
Also: Wenig Bewegung – zumindest in den Prozentzahlen. Unser Schulsystem räumt den Eltern das Recht ein, ihr Kind an der Schule ihrer Wahl anzumelden. Würde man die Leistungen der Hauptschüler, der Realschüler und der Gymnasiasten als Kurve darstellen, erhielte man die in der Wahrscheinlichkeitsrechnung bekannte Glockenform. Würde man sie in ein Koordinatenkreuz einzeichnen, könnte man Überlappungen feststellen, die sehr weitreichend sind: Im Gymnasium, erst recht in der Realschule, fände man Schüler mit Leistungen auf dem Hauptschulniveau, in der Hauptschule, erst recht in der Realschule, solche mit gymnasialem Niveau. Dies ist in den PISA-Studien immer wieder belegt worden. (Z. B.: Beste Hauptschüler können genauso gut lesen wie schlechte Gymnasiasten.)
Oder aus dem Handbuch der Schulforschung von Horstkemper/Tillmann:
Diese Grafik ist einige Jahre alt, aber im Grundsatz spiegelt sie wider, dass die Leistungen der Schüler nach Schulform nicht trennscharf sind.
Angesichts der Schwäche der Hauptschule muss man davon ausgehen, dass die Schülermischung in Realschulen und Gymnasien sich nicht oder kaum mehr von anderen Zwei-Säulen-Modellen unterscheidet, z. B. Gesamtschule/Gymnasium in verschiedenen Bundesländern oder Stadtteilschule/Gymnasium in Hamburg.
Der Dezernent Dr. Robers wird in der Allgemeinen Zeitung so zitiert:
„Insofern hat sich das dreigeteilte Schulsystem aus Hauptschule, Realschule und Gymnasium bestätigt.“
Das geht nun allerdings an der Wirklichkeit vorbei. Es handelt sich um ein Schulsystem, das letztlich ein Zwei-Säulen-System aus Gymnasium und Realschule ist, wobei sich in der Realschule die Schüler mit einem Leistungsprofil sammeln, die vor Jahrzehnten die Hauptschule besuchten. Und in der Folge wird die Querverschiebung einschließlich der Leistungsprofile zum Gymnasium durchgereicht, so dass hier mittlerweile fast 50 % der Anmeldungen zu finden sind.
Das Einzugsgebiet ist nicht nur Coesfeld, sondern auch Gescher, Reken, Rosendahl, Billerbeck und mehr. In diesen Orten gibt keine Hauptschule, keine Realschule mehr, die Schüler in die fünfte Klasse aufnehmen könnten, und nur in Reken existiert noch ein Gymnasium, das private der Marianhiller Missionare. Aus all diesen Orten drängt es also nur Eltern von 33 Schülern, ihre Kinder an einer Hauptschule anzumelden. Und wahrscheinlich drängt es sie nicht, sondern sie tun es mangels Alternative. Ich kann es nur wiederholen: Die Hauptschüler sind die Verlierer des „drei“-gliedrigen Systems. Und damit auch die beiden anderen Schulformen, die jetzt Schüler unterrichten, die nicht zu ihrem Profil, zu ihren Bildungsplänen und -zielen passen.
Mich würde interessieren, in welchen Coesfelder Schulen prozentual die meisten Kinder mit Migrationshintergrund sind, besonders auch, wo die meisten Flüchtlingskinder unterrichtet werden. Könnte es sein, dass hier die Hauptschule einen ersten Platz belegt?