Realschule und Hauptschule – Entwicklung in NRW

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Habe ich in den letzten Beiträgen die Entwicklung einer Realschule in Gescher – gewissermaßen als konkretes Beispiel für eine solche Schule in einer Kleinstadt im ländlichen Raum – vorgestellt, so will ich jetzt einen Blick auf die Veränderungen seit 2001 in NRW insgesamt werfen. Ich gehe dabei von drei Diagrammen aus, die ich aufgrund der Zahlen aus der amtlichen Schulstatistik zusammengestellt habe.

Entwicklung der Zahl der Hauptschulen und der Realschulen seit 2001

HS_RS_NRW
Diagramm 1: Anzahlen der Hauptschulen und der Realschulen in NRW von 2001 bis 2016
Das erste Diagramm zeigt, dass etwa seit 2009 die Anzahl der Hauptschulen deutlich sinkt. Die dunkelblaue Linie endet bei etwa 400 Hauptschulen (exakt 403) im Lande zu Beginn des Schuljahres 2016/17. Zu Beginn des Jahrhunderts gab es noch fast doppelt so viele Hauptschulen – 741; und noch deutlich mehr in den 90-er Jahren.

Erst 2015 bekommt die hellblaue Linie für Realschulen eine deutliche Tendenz nach unten. 2012/13 schneiden sich die Linien, seit diesem Schuljahr gibt es mehr Real- als Hauptschulen in NRW. Dass die Zahl der Realschulen lange Zeit ziemlich konstant blieb, erklärt sich aus dem Umstand, dass die Standorte mit Realschulen in den Städten ein flächendeckendes Angebot bildeten. In den letzten Jahren wurden viele dieser Schulen auslaufend gestellt, mit der Folge, dass sie zwar jetzt in der Anzahl der Schulen noch auftauchen, in  wenigen Jahren aber nicht mehr.

Entwicklung der Zahl der Hauptschüler und der Realschüler seit 2001

Anders sieht es bei den Schülerzahlen aus.

HS_RS_NRW_Schüler
Diagramm 2: Entwicklung der Anzahlen von Hauptschülern und Realschülern in NRW 2001 bis 2016
Die blaue Linie für die Zahl der Hauptschüler startet bei 285.000 im Jahre 2001, sie endet bei 87.000 im Jahr 2016. Es gibt also noch ungefähr ein Drittel der Zahl der Hauptschüler, die es vor 15 Jahren gab. Das ist eine rasante Abwärtsbewegung.

Aber auch die Realschulen haben Federn lassen müssen. Die Zahl der Realschüler startet bei 335.000 im Jahre 2001, also etwa 50.000 Realschüler mehr als Hauptschüler zu dieser Zeit. Die Kluft erweiterte sich noch: 2016 gab es ungefähr 235.000 Realschüler, zwar ein knappes Drittel weniger als vor 15 Jahren, aber 150.000 mehr als Hauptschüler. Es gab 2016 danach fast dreimal so viele Realschüler wie Hauptschüler. Anders als bei der Anzahl der Schulen wirkt sich bei der Schülerzahl auch schon das Auslaufen etlicher Realschulen aus.  Daher ist der Abwärtstrend auch schon früher erkennbar, spätestens 2012.

Entwicklung der Zahl der durchschnittlichen Größe von Hauptschulen und Realschulen seit 2001

Werfen wir noch einen Blick darauf, wie sich die Größe der Schulen verändert hat.

HS_RS_NRW_Schülerschnitt
Durchschnittliche Grüße von Hauptschulen und Realschulen in NRW von 2001 bis 2016
Zu Beginn des Jahrhunderts hatte eine durchschnittliche Hauptschule 385 Schüler. Im Jahr 2016 waren es noch 218. Eine Hauptschule mit gut 200 Schülern kann nicht sinnvoll arbeiten; sie ist nicht mehr durchgängig zweizügig und deshalb auch nicht mehr ein geordneter Schulbetrieb, den das Gesetz verlangt. Der Abwärtstrend setzte hier schon im Jahre 2004 an und verstärkte sich durch die auslaufenden Schulen.

Die durchschnittliche Größe einer Realschule lag 2001 bei etwa 800 Schülern, also bei doppelt so vielen wie eine durchschnittliche Hauptschule hatte. 2016 waren es nur noch 438 Schüler pro Realschule. Die durchschnittliche Größe hatte sich also fast halbiert. Bei den Realschulen (grüne Linie) begann der Abwärtstrend etwa 2011, zum Zeitpunkt des Schulkompromisses zwischen Regierung und Opposition.

Fazit

Wir können davon ausgehen, dass es zwei Grunde für den Rückgang der beiden Schulformen und ihrer Größen gibt:

  1. Der demographische Wandel hat sich in allen Schulformen ausgewirkt, in den letzten Jahrzehnten eben in einem mehr oder weniger starken Rückgang der Schülerzahlen.
  2. Das Schul(form)wahlverhalten der Erziehungsberechtigten hat sich verändert. Der Slogan „Schickt Eure Kinder länger auf bessere Schulen“ aus den siebziger Jahren drückt die Richtung der Veränderung gut aus. Die früheren (besseren) Realschüler wurden beim Gymnasium angemeldet, die früheren (besseren) Hauptschüler bei der Realschule. Alle drei Schulformen senkten dadurch das Leistungsniveau ihrer Schülerschaft.

Das Ende vom Lied: Die Hauptschule stirbt, sie hat die Hoffnungen und Erwartungen aus der Zeit der Gründung 1968 nicht erfüllen können. Sie ist trotz der formalen Gleichwertigkeit mit den Sekundarstufen I der anderen Schulformen und trotz der vertikalen Durchlässigkeit im Schulsystem nie wirklich als gleichberechtigt anerkannt worden. Die Motive der Schulleitungen von Realschulen und Gymnasien, auch leistungsschwächere Kinder aufzunehmen (und zu behalten), waren nicht nur edel. Die Zahl der Lehrerstellen und auch der Beförderungsstellen wie auch deren Besoldung hing und hängt von der Schülerzahl der Schule ab. Die Folge: Die Hauptschule ist am Ende, etliche Realschulen auch, und die Zusammensetzung der Schülerschaft an Gymnasien nähert sich der an Gesamtschulen an – zumindest was Heterogenität in der Leistung angeht.

Ich bin gespannt, wie es weitergeht. Seit zwei Jahren ist eine neue Komponente im Spiel: eine nennenswerte Anzahl von Flüchtlingskindern. Sie wird sich auf die Schulorganisation an vielen Orten auswirken. Dumm nur, dass an etlichen Stellen die Hauptschulen fehlen, denen man sonst gerne die Aufgabe der Integration überlassen hatte. Jetzt müssen sich auch Realschulen und Gymnasien auf diesen Weg machen.