Lehrerausbildung, Schüler- und Lehrerzahlen, Klasse 10 und Mittlere Reife und mehr …
Lehrerausbildung an der Gemeinschaftshauptschule Gescher
1968 war auch ein wichtiges Jahr für die Lehrerausbildung an Grundschulen und Hauptschulen. Gab es bis 1967 einschließlich nur die Möglichkeit, nach der Ersten Staatsprüfung für das Lehramt an der Volksschule eine zweieinhalb- bis fünfjährige Junglehrerzeit zu absolvieren, so wurde jetzt wie für die anderen Lehrämter ein Vorbereitungsdienst auch für Volksschullehrer eingeführt.

Ich gehörte als jemand, der 1967 in den Dienst eintrat, zur ersteren Gruppe, unsere unmittelbaren Nachfolger konnten zwischen Junglehrerzeit und Vorbereitungsdienst wählen, ab 1969 gab es nur noch den Vorbereitungsdienst. Die Unterschiede waren gravierend. Der Junglehrer hatte mit der Ersten Staatsprüfung seine Ausbildung beendet, danach nahm er an Arbeitsgemeinschaften zur Vorbereitung auf die Zweite Staatsprüfung teil. Er war in dieser Zeit ein vollwertiger Lehrer mit (fast) allen Rechten und Pflichten, seine Dienststelle war die Schule. Er hatte einen Stundenplan mit 30 Unterrichtsstunden pro Woche und bezog ein normales Lehrergehalt als Beamter auf Probe. Der Lehramtsanwärter hingegen bezog eine deutlich geringere Besoldung als Beamter auf Widerruf, unterrichtete nur 12 Stunden und hatte in seiner Dienststelle, dem Bezirksseminar, an Fachseminaren und am Hauptseminar teilzunehmen.

Schon 1968 wurde ein Bezirksseminar für das Lehramt an Grundschulen und Hauptschulen in Coesfeld errichtet. Ende 1969 wurde die Hauptschule in Gescher Ausbildungsschule für das Seminar in Coesfeld und blieb dies bis zur Auflösung dieses Seminars im Jahre 1983. Gleich im ersten Ausbildungsjahr, zum 15. Dezember 1969, wurden der Schule neun Lehramtsanwärter zur schulpraktischen Ausbildung zugewiesen. Darunter auch die spätere Konrektorin Mechtild Gaußelmann. Günter Hillebrand, Lehrer der Hauptschule Gescher, wurde zum Fachleiter für das Fach Englisch am Seminar in Coesfeld ernannt. Das bedeutete, dass er einige Stunden Unterricht an der Hauptschule in Gescher zu erteilen hatte, in der restlichen Zeit seine Lehramtsanwärter im Unterricht besuchte und beriet und für sie ein wöchentliches Fachseminar durchführte. Ich übernahm am 1. Dezember 1971 die Aufgaben eines Fachleiters für Mathematik am Bezirksseminar in Recklinghausen, wechselte ein Jahr später in die gleiche Funktion nach Coesfeld und wurde dort im Februar 1974 stellvertretender Leiter; weil dieses Aufgabe hauptamtlich wahrzunehmen war, verabschiedete ich damit von der Gemeinschaftshauptschule Gescher, während Günter Hillebrand die Leitung der katholischen Grundschule Hochmoor antrat. – Etliche Lehrer der Hauptschule leiteten die Lehramtsanwärter im Unterricht als deren Ausbildungslehrer an. Sie übernahmen damit eine wesentliche Aufgabe in der neuen Form der Lehrerbildung.
Probleme des Anfangs
Entwicklung der Schülerzahlen
Die Schülerzahlen entwickelten sich rasant. Und ein Ende war noch nicht abzusehen. Der „Pillenknick“ war zwar schon da, wirkte sich bei dieser Altersklasse aber noch nicht aus; das kam später. Die Klassen waren groß, denn Lehrer gab es wenige. Die Zeiten des Lehrermangels waren noch nicht vorbei. Den 760 Schülern standen 21 Lehrer gegenüber, im Durchschnitt 1 Lehrer für gut 36 Schüler. (Im Laufe der Jahrzehnte hat sich diese Relation auf 18 Schüler je Lehrer reduziert.)
Raumbedarf
Die neue Schule war von Anfang an zu klein, wie die Auslagerungen von etlichen Klassen zeigten (Schulstraße, Von-Galen-Schule …). Die Kommunikation zwischen der Hauptstelle am Borkener Damm und den „Filialen“ im Stadtgebiet war nicht einfach – ein Telefonanschluss war zum Teil schlicht nicht vorhanden. Am Borkener Damm wurde noch gebaut, die Verwaltung der Schule war nur provisorisch untergebracht.
In dieser Situation fand am 27. Januar 1970 eine weitere „Besprechung über die Schulverhältnisse in der Stadt Gescher“ statt, an der Vertreter des Regierungspräsidenten, der Kreisverwaltung, der Stadtverwaltung und Geschers Schulleiter teilnahmen. Aus dem Protokoll: „Da die Realschule über ein unzureichendes Gebäude verfügt und die Hauptschule erweitert werden muß, sind die erforderlichen Neubauten und Erweiterungsbauten … in einem Schulzentrum, und zwar in unmittelbar räumlichen Zusammenhang mit der neuen Hauptschule zu errichten.“ Außerdem wurde empfohlen, in der Nähe zum Schulzentrum ein Sportzentrum anzulegen. Diese Planung wurde bis zum Jahre 1975 umgesetzt. Bis dahin war aber noch eine Durststrecke zu überwinden: Die Außenstellen blieben über mehrere Jahre erhalten, im ersten Halbjahr des Schuljahres 1973/74 wurden Fachräume als Klassenräume genutzt und Klassenräume doppelt belegt: vormittags eine Klasse, nachmittags eine andere Klasse – in der Woche darauf wurde gewechselt.
Zusammenwachsen
Die Lehrkräfte der neuen Schule kamen aus verschiedenen Schulen; sie hatten verschiedene Traditionen und Routinen. Die Erziehungs- und Unterrichtsarbeit der Volksschuloberstufe war sehr verschieden von dem fachorientierten und differenzierenden Ansatz der Hauptschule. Dazu kam der Anspruch des Schulleiters Werner Marx an seine Mitarbeiter, möglichst bald und möglichst weitgehend das Konzept „Hauptschule“ in Gescher umzusetzen. Marx selbst ging mit gutem Beispiel voran: Er arbeitete intensiv daran, Organisation und Verwaltung der großen Schule als Unterstützung der pädagogischen Arbeit auszubauen. Auch am Sonntag stand sein Auto auf dem Parkplatz vor der Schule. Nicht jeden Lehrer konnte er mitnehmen: Es gab durchaus Widerstände – wie immer, wenn Neues die alten Gewohnheiten bedroht. Es dauerte fast zehn Jahre, bis durch die Fluktuation, die Pensionierungen und die Neueinstellungen, der Schulleiter allgemein akzeptiert war. – Werner Meng, Leiter der zuletzt nur noch einklassigen Landschule in Estern wurde nach der Schließung der kleinen Schule 1970 zum Konrektor der Hauptschule ernannt.
Das zehnte Schuljahr und die „Mittlere Reife“
Mit der Schulreform Ende der sechziger Jahre wurde an der Hauptschule ein neuntes Schuljahr eingeführt. Damit nicht genug: Zu Beginn des Schuljahres 1972/73 erhielt die Hauptschule in Gescher auf ihren Antrag hin die Genehmigung, ein 10. Schuljahr als Aufbauklasse im Sinne des Erlasses vom 2. April 1967 einzurichten. 15 Jungen und 15 Mädchen besuchten die erste Klasse dieser Art in Gescher, geführt von Klassenlehrer Herbert Krechting. Die Absolventen schlossen mit der Fachoberschulreife ab, einigen Schülern wurde die Eignung zum Besuch der gymnasialen Oberstufe zuerkannt. Mit der Zeit wurde dieses zehnte Schuljahr an etlichen Hauptschulen ermöglicht, 1980 in NRW sogar ein zehntes Vollzeitpflichtschuljahr eingeführt. Dazu später mehr.
Die Lehr- und Lernmittel für diese Klasse zu finden, war ein besonderes Problem. Es gab einen groben Lehrplan, aber nur wenige Schulbücher, deren Inhalte zu diesem Lehrplan passten. Ich unterrichtete in dieser Klasse Mathematik mit einem Buch, das für eine Berufsschule gedacht war. Aber mit den motivierten Schülern und den ebenso motivierten Kollegen machte die Arbeit Freude. Diese Jahre waren Jahre des Aufbruchs, die Hauptschule war eine Chance auf einen zwar nicht gleichartigen, aber gleichwertigen Bildungsweg für ihre Schüler.
Revision der Richtlinien und Lehrpläne
Bereits 1973 wurden die Lehrpläne von 1968 zum Teil in größerem Umfang revidiert. Das hatte im Wesentlichen zwei Gründe:
- Die Eile, mit der die Schulreform eingeführt wurde, hatte den Ausschüssen für die einzelnen Fächer wenig Zeit für eine gründliche Arbeit gelassen. Nun lagen erste Erfahrungen vor, die Korrekturen und grundsätzliche Überarbeitungen sinnvoll erscheinen ließen.
- Es gab eine curriculare Neuordnung der Sekundarstufe I insgesamt. Die Curriculumforschung hatte sich weiter entwickelt. Lehr- und Lernziele, am besten in operationalisierter Form, waren nun das Gebot der Stunde. Sie ermöglichten eine Lernzielkontrolle, die bei der Formulierung schon mit konzipiert wurde.
Allerdings – nicht für alle Fächer traf das zu. In Mathematik ging es auch noch um die Frage, inwieweit die „neue“ Mathematik (Mengenlehre, Logik …) im Lehrplan eine Rolle spielen sollte. Anders als die Schulpraxis und einige Schulbücher sahen die Lehrpläne des Landes NRW hier nur eine maßvolle Orientierung an den neuen Ideen vor, die sich später auch kaum durchsetzten. Für Mathematik gab es 1978 eine weitere Revision, dann auch lernzielorientiert.
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