In der gegenwärtigen Diskussion werden den Schulen, Schulträgern und Schulbehörden Versäumnisse vorgeworfen. Bei der Digitalisierung, so sagt man, habe „die Schule“ die Zeichen der Zeit nicht erkannt, hinke hinter den Möglichkeiten her, sei schlecht ausgestattet, die Lehrer seien nicht aus- bzw. fortgebildet und vieles mehr. Dabei war der Anfang vor fast vierzig (!) Jahren vielversprechend.
Ein Blick ins Schuljahr 1985/86

Vor 34 Jahren: Das Heft 13 der regionalen Lehrerfortbildung der Bezirksregierung Münster listet von Seite 193 bis Seite 219 für alle Schulformen, von der Grundschule bis zum Berufskolleg, Fortbildungsmaßnahmen zum Thema Informatik – Computertechnologie für Lehrer auf. In dieser Zeit gab es schon Lehrpläne mit Fachbezeichnungen wie Informatik oder Inhalten wie Programmieren – nach Schulformen unterschiedlich. Allerdings waren alle Beteiligten noch auf der Suche, welche Ziele man verfolgen wollte, welche Inhalte behandelt werden sollten und mehr. Die Landesregierung setzte für die Schulen zu diesem Zeitpunkt erste relevante Vorgaben. Das Programmieren wurde nicht (mehr) als vorrangig betrachtet, Anwendungen wie Tabellenkalkulation, Textverarbeitung, Steuern, Messen und CAD und der Umgang mit diesen Programmen und zugehöriger Hardware wurden in den Fokus gerückt. Tenor war schon hier, dass die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien in verschiedenen Fächern, weit über das Fach Informatik hinaus, Anwendung finden würden.
Die Stadt Gescher hat damals schon für ihre weiterführenden Schulen, Don-Bosco-Schule (Hauptschule) und Realschule, die Anschaffung von Rechnern für den Unterricht und für die Schulverwaltung genehmigt (Stundenplan erstellen, Schülerdaten erfassen und verwalten, Zeugnisse schreiben …). In beiden Schulen wurden Computerräume eingerichtet. Letztere verschwanden allmählich, weil Technik und Unterrichtsmethoden später Klassenraum- statt Fachraumlösungen ermöglichten. Viele Schulträger verhielten sich ähnlich.
Lehrer als Treiber der Entwicklung
Die Einführung der Arbeit mit neuen Informations- und Kommunikationstechnologien wurde von Lehrkräften und Schulleitungen vorangetrieben. Sie hatten sich privat Geräte angeschafft und entdeckten die Möglichkeiten für Unterricht und Verwaltung. In den ersten Jahren dieses Entwicklungsschubs hat das Schulministerium Ideen „von unten“ aufgegriffen, die Pioniere als Referenten in Fortbildungsveranstaltungen eingesetzt und seine Vorgaben zunehmend in die Form von Richtlinien und Lehrpläne gegossen. Die Digitalisierung in Unterricht und Schulverwaltung schritt kontinuierlich vorwärts.
Fazit: Die Digitalisierung wurde engagiert und ziemlich erfolgreich auf den Weg gebracht. In der Folge wurden einheitliche Programme für die Schulverwaltung durch das Land NRW ebenso angeschafft wie dazugehörige Rechner. Die amtlichen Statistiken wurden nicht mehr auf Papier, sondern online erstellt. E-Mail-Verkehr löste Faxe ab. Das Ministerium informierte fortan die Schulen direkt, manchmal früher als die zuständige Schulaufsicht, die immer funktionsloser wurde.
Stillstand
In den Folgejahren erlahmten die Bemühungen um die neuen Technologien. Lehrer hatten bis dahin private Geräte für ihre dienstlichen Aufgaben eingesetzt. Datenschutzregeln erschwerten dies, ohne dass dienstliche Arbeitsplätze in hinreichender Zahl zur Verfügung gestellt wurden. Das Land NRW verlor sich unter der schwarzgelben Regierung Rüttgers in Übereifer, wenn es darum ging, die Ergebnisse in den PISA-Studien zu optimieren. Das Gymnasium wurde auf acht Jahre reduziert. Ein System von Maßnahmen zur Qualitätsentwicklung sollte die gewünschten Ergebnisse bewirken. Die Regierungswechsel brachten andere Themen nach vorne: Inklusion, demographischer Wandel und seine Folgen für die Schulstruktur, Unterricht für viele Flüchtlingskinder, Lehrermangel, Unterrichtsausfall. Als hätte man sonst nichts zu tun, schaltete die jetzige schwarz-gelbe Koalition die von denselben Parteien eingeführte G8-Version des Gymnasiums wieder ab und führte wieder die neunjährige Version ein. Man vergaß über alldem nicht nur die Digitalisierung, sondern auch die renovierungsbedürftigen Schultoiletten.
An dieser Stelle sind die Schulträger und die Schulen selbst in der Pflicht. Die Schulen müssen ihre Bedürfnisse artikulieren, die Schulträger müssen die notwendigen Mittel bereitstellen. Und wenn sie es nicht können, dann läuft in der Politik etwas grundsätzlich falsch: Bund und Länder generieren Aufgaben, deren Finanzierung zu einem nennenswerten Teil die Kommunen übernehmen sollen. Gerade jetzt sprechen die Politiker von Bund und Ländern über volle Kassen, über Rücklagen auch in Kranken- und Rentenkassen – wovon Kommunen nur träumen können. Gerade in Sachen Digitalisierung müssen sich Schulen und Schulträger aber vorhalten lassen, dass zweckgebundene Mittel des Bundes für die Ausstattung der Schulen nur sehr zögerlich abgerufen wurden.
Digitalisierung in der Schule heute
Brechen wir die Reise in die Vergangenheit hier ab und blicken auf den aktuellen Unterricht und die heutige Schulverwaltung.
Im Unterricht
Computer, Smartphone, Tablet, Digitalisierung, Internet und mehr sind Themen und Gegenstände in der gesellschaftlichen Wirklichkeit. Deshalb müssen sie in der Schule thematisiert und reflektiert werden. Zu den Themen im Unterricht gehören neben der Technik und der Ausstattung die Anwendung von Programmen ebenso wie der Schutz von Daten und vor Betrug. Nicht unwesentlich dürfte die Thematisierung von Computerspielen, ihren Inhalten und dem rechten Umgang mit ihnen sein.
Viele Fächer profitieren von digitaler Ausstattung. Im Kunstunterricht und in der Musik können Rechner Instrumente der Kreativität sein, in den Gesellschafts- und Naturwissenschaften können sie zum Messen und Auswerten von Daten ebenso eingesetzt werden wie zur Darstellung der Ergebnisse. Im Fach Technik kann man Steuerungen bauen. In allen Fächern eignen sich Rechner zur Recherche im Internet. Die Aufzählung ließe sich lange fortsetzen.
Ziele und Auswahl der Inhalte beeinflussen sich gegenseitig. Es geht in der allgemeinbildenden Schule nicht vordergründig darum, die technisch richtige Handhabung der Geräte in den Vordergrund zu stellen. Es geht insofern nicht um eine Vorbereitung auf den Berufsalltag, dieser Fokus ist Auftrag der berufsbildenden Schulen; abgesehen davon ändern sich Geräte und Technik so schnell, dass die konkrete Ausstattung in Betrieben schon nach wenigen Jahren eine andere sein dürfte, als die Schüler in der Schule kennengelernt haben. Vielmehr stehen andere, grundsätzlichere Fragen im Vordergrund: Wie sieht ein verantwortlicher Umgang mit dieser Technik aus? Was bedeutet die Digitalisierung für die Arbeitswelt, für den Schutz von Daten, für die Sicherheit im Staat, für das Spielen, für den Zugang zum Wissen? Welche Chancen, welche Gefahren bietet die Kommunikation mit Messenger-Diensten wie WhatsApp, in sozialen Medien wie Facebook?
Die Ziele fügen sich ein in den allgemeinen Bildungsauftrag, Schülern ein verantwortliches Handeln in Selbständigkeit zu ermöglichen und einzuüben.
In der Verwaltung
In der Schulverwaltung herrscht eine vertikale Vernetzung vor; so kann man blitzschnell vom Schulministerium bis in die einzelne Schule durchregieren. Dass Geschwindigkeit zwar keine Hexerei, aber nicht immer von Vorteil ist, zeigte sich in den letzten Wochen. Die führungsschwache Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) hatte an alle Schulen kurzfristig gemailt, dass der Unterricht in der Folgewoche wieder beginnen solle. Wenige Stunden später wurde diese Anordnung kassiert. Der SPIEGEL nennt sie „Die Hin- und Her-Ministerin“.
So hatte Gebauers Staatssekretär Mathias Richter Ende April den Schulen per Mai mitgeteilt, dass in der darauffolgenden Woche der Unterricht wieder beginnen sollte – ohne eine entsprechende Entscheidung von Bundeskanzlerin Merkel und den Regierungschefs der Länder abzuwarten. Die forsche Ankündigung des Schulministeriums wurde ein paar Stunden später von Ministerpräsident Armin Laschet wieder kassiert, die Ministerin und ihr Haus waren blamiert.
Nachzulesen auf SPIEGEL.de
Ausstattung von Schulen und Schülern
Ganz unterschiedlich sind die Ausstattungen der Schulen und der Schüler, was die Voraussetzungen digitalen Unterrichts angeht. Je nach Interesse und Potenz des Schulträgers gibt es große Unterschiede.
- Es muss Hardware innerhalb der Schule geben, die von Schülern und Lehrern im Unterricht genutzt werden kann. Das sind nicht nur die Rechner im engeren Sinne, es sind auch die Whiteboards, die die alten Wandtafel ablösen. Dazu gehören ebenfalls Ausstattungen für den Unterricht in naturwissenschaftlichen und technischen Fächern.
- Für alles das braucht man Software für den Unterricht in der konkreten Schule. In einer Berufsschule braucht man ein anderes CAD-Programm als in der Hauptschule; im ersten Fall geht es überwiegend um Vorbereitung auf den Berufsalltag unter den dort gegebenen Bedingungen, im zweiten um Kennenlernen und Reflexion der Grundzüge einer solchen Software. (CAD bedeutet Computer Aided Design. Solche Programme werden zum Entwerfen von Modellen und technischen Zeichnungen genutzt.)
- Schüler, die Hausaufgaben zu erledigen haben, brauchen eine entsprechende Ausstattung, die nicht, zumindest nicht vollständig, aus dem Budget der Familie angeschafft werden kann. Eine Familie mit mehreren schulpflichtigen Kindern käme schnell an ihre Grenzen. Hier wie auch bei anderen Lernmitteln (Schulbücher …) müssen Regelungen für finanzschwache Familien vorgesehen werden. Das kann durch Zuschüsse zu Anschaffungen oder durch Leihgeräte geschehen. Die ohnehin bestehende Abhängigkeit des Schulerfolgs von der wirtschaftlichen Situation des Elternhauses darf hier nicht verschärft werden.
- Lehrer müssen für Unterrichtsvorbereitung, Unterricht und Verwaltung hinreichend und kompatibel ausgestattet sein (Zeugnisse schreiben, Schülerdaten einschließlich Leistungsaussagen speichern und verarbeiten …).
- Lehrer müssen kontinuierlich fortgebildet werden. Die Teilnahme darf nicht ins Belieben der Lehrkraft gestellt sein, sondern von den Bedürfnissen der konkreten Schule gesteuert werden.
Horizontale Vernetzung und Cloud verschlafen
Was sich in der Pandemie als vorteilhaft, wenn nicht sogar notwendig, herausgestellt hat, ist eine horizontale Vernetzung zwischen Schulen und innerhalb der Schulen.
Eltern einer Klasse bilden heute Gruppen in WhatsApp oder ähnlichen Messenger-Diensten. Das ist ihr gutes Recht. Schwierig wird es dann, wenn Lehrkräfte Mitglieder dieser Gruppen werden. Dann sind die Informationen in der Regel im dienstlichen Bereich. Die Mitgliedschaft in der WhatsApp-Gruppe wird dann zur Schnittstelle zwischen Elternhaus und Schule. Diese Variante kann nicht die Lösung sein.
Das Beispiel Schulbistum Münster
Das Bistum Münster hat für die von ihm getragenen oder betreuten Schulen schon frühzeitig eine Vernetzung namens schulbistum.de geschaffen, die innerhalb der Schulen und zwischen den Schulen eine digitale Plattform bereitstellt, die auch ein Lernmanagementsystem beinhaltet. Gerade in den letzten Monaten war das von großem Vorteil. Wer die Website aufruft, kann im Menü schon erkennen, welche Bandbreite diese Cloudlösung abdeckt.
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