In diesem Beitrag geht es um Verfahren und Kriterien zur Auswahl von Schulaufsichtsbeamten für Volksschulen, nach 1968 für Grund-, Haupt- und bestimmte Sonderschulen.
Wie wurde man vor 50 Jahren Schulrat?
In Preußen und dann auch darüber hinaus wurden 1919 Schulräte als Schulaufsichtsbeamte für die „inneren (schulfachlichen) Schulangelegenheiten“ eingeführt. Sie lösten andere Formen ab, zum Beispiel die geistliche Schulaufsicht durch den Pfarrer. Landräte, nach dem zweiten Weltkrieg Oberkreisdirektoren bzw. Oberstadtdirektoren, waren für die „äußeren (verwaltungsfachlichen) Schulangelegenheiten“ zuständig.
Wir schauen uns ein Beispiel an, das so oder so ähnlich vor etwa 50 Jahren stattgefunden haben kann. Im Jahre 1970 – die Schulreform von 1968 wird noch umgesetzt – steht an einem Frühlingstag morgens gegen halb acht der Schulleiter der neuen Hauptschule am Straßenrand und wartet.
„Worauf warten Sie?“, fragen ihn Kollegen, die vorbeikommen.
„Auf den Schulrat“, lautet die knappe Antwort.
„Zu wem kommt der denn?“, hakt der nächste nach. Das ist eine Frage, die wichtig ist, schließlich kann jedes Mitglied im Kollegium das Opfer sein. (Schulräte kamen damals unangemeldet zu Unterrichtsbesuchen).
„Er kann ja auch mal zu mir kommen“, murmelt der Rektor.
Und schon rollt der blaue Opel Rekord die Straße entlang und biegt auf den Parkplatz ein; Schulrat Heinrich Winkler steigt aus, greift seine Aktentasche und grüßt knapp die Umstehenden, bevor er mit dem Schulleiter verschwindet. Richard Brockmann, so nennen wir ihn hier, hält zwei Unterrichtsstunden, der Schulrat spricht mit dem Rektor in dessen Dienstzimmer über den Unterricht und Brockmanns Chancen auf eine Beförderung.
Winkler, dessen Miene sich selten zu einem Lächeln verzieht, weshalb ihn die Lehrer seines Bezirkes den „Herrn vom Bestattungsinstitut“ nennen, nimmt ein silbernes Etui aus der Tasche seines Jacketts. Umständlich entnimmt er ihm eine Zigarette und klopft sie senkrecht auf den Deckel, nachdem er das Etui wieder verschlossen hat. Nun zündet er die Zigarette mit dem ebenfalls silbernen Benzinfeuerzeug an, tut einen tiefen Zug und beginnt zu reden. Er fragt nach Details der Unterrichtsstunden, nach Konzepten und Theorien der Fächer.
„Die Naturkundestunde, ach, in der Hauptschule heißt es ja jetzt ‚Biologiestunde‘, hat mir gut gefallen“, resümiert er, „und der Mathematikunterricht war noch besser. Natürlich habe ich von Ihnen nichts anderes erwartet. Wer so viele Prüfungsstunden erlebt hat, so viele Prüfungsarbeiten von Junglehrern gelesen hat, der hat bestimmt eine ganze Reihe von Anregungen zur Verfügung. Aber nun erzählen Sie doch mal, wie Sie ihren Lehrern die neuen Richtlinien und Lehrpläne für die Hauptschule vermitteln. Und mich interessiert auch, wie Sie diese große Schule organisiert haben, welche Erfahrungen Sie in den wenigen Monaten mit der neuen Schulform gemacht haben.“
Brockmann lässt sich nicht lange bitten, erzählt von den Widerständen einiger alter Volksschullehrer in seinem Kollegium, von den neun Lehramtsanwärtern, die seiner Schule vom ebenfalls noch jungen „Bezirksseminar für das Lehramt an Volksschulen (Grundschulen und Hauptschulen)“ zur Ausbildung zugewiesen wurden.
Schon bald hat Winkler genug Stoff für seinen Bericht an die Bezirksregierung und verabschiedet sich.
Richard Brockmann verkündet in der nächsten Lehrerkonferenz, dass er Schulrat werden will. Nach der erfolgreichen ersten Revision des Schulrates aus dem Schulamt für den Kreis, der unteren Schulaufsichtsbehörde, werde der bald wiederkommen und einen Schuldezernenten des Regierungspräsidenten mitbringen, einen Oberregierungs- und -schulrat namens Meschmann. Dann müsse er nicht nur zwei Unterrichtsstunden halten, sondern auch eine Konferenz leiten. Er fragt nach, wer sich alles an der Konferenz beteiligen wolle, es gehe um das Thema „Rechtschreiben“. Einige Lehrkräfte melden sich. Brockmann ist es zufrieden.
Einige Wochen später kommen die beiden Herren, der Schulrat und der Oberschulrat, und schauen sich Unterricht und Konferenzleitung an. Das Gespräch über fachliche Themen ist dieses Mal ausführlicher. Es handelt von „Lernzielorientierung“, „Curriculumrevision“ und „äußere Differenzierung“. Auch dieser Besuch verläuft erfolgreich. Mit Erstaunen nimmt Brockmann zur Kenntnis, wie servil der autoritäre Winkler sich gegenüber dem Vertreter der oberen Schulaufsicht verhält.
Wieder informiert Richard Brockmann das Kollegium über den weiteren Verlauf: Jetzt fehle nur noch der letzte Schritt: Bald werden die beiden Herren wiederkommen und noch jemanden mitbringen, und zwar den zuständigen Ministerialrat aus dem Kultusministerium. Es werde eine mündliche Prüfung, ein „Kolloquium“, stattfinden. Außerdem habe der Kandidat fremden Unterricht zu beobachten, zu analysieren und zu bewerten. So kommt es.
Auch diese dritte Überprüfung geht erfolgreich zu Ende. Richard Brockmann bringt für eine Schulratstelle gute Voraussetzungen mit: Er Ist Leiter einer Junglehrer-Arbeitsgemeinschaft, an der pflichtgemäß alle Junglehrer bis zur zweiten Staatsprüfung teilnehmen müssen. Davon gibt es drei im Landkreis, alle drei werden von Männern geleitet. Von den drei Stellvertretern sind zwei Frauen. Brockmann ist auch Vorsitzender des Personalrates auf Kreisebene, in einer politischen Partei ist er nicht, aber Mitglied im „Verband der Katholischen Lehrerschaft Deutschlands (VKLD)“, der seit Kurzem „Verband für Bildung und Erziehung (VBE)“ heißt..
Für die besonderen Aufgaben in der Schulaufsicht wie Beraten, Beurteilen, Evaluieren, Personalplanung und -entwicklung gibt es keine Fortbildungsmaßnahmen, keinerlei Vorbereitung. Die Vorgesetztenaufgaben eines Schulleiters sind mit denen des Schulaufsichtsbeamten nicht vergleichbar. Die dienstlichen Beurteilungen im Auswahlverfahren beziehen sich auf die Leistungen des Schulleiters in der Vergangenheit, kaum auf die Eignung für das neue Amt in der Schulaufsicht. So kommt es, dass die neuen Schulaufsichtsbeamten „on the job“ lernen müssen; das gelingt manchen gut, anderen weniger.
In dieser Zeit – Ende der sechziger, Anfang der siebziger Jahre – gibt es im Kultusministerium eine Liste, in die alle Kandidatinnen und Kandidaten für eine Schulratsstelle aufgenommen werden, wenn sie die Ochsentour der drei Revisionen überstanden haben. Hier landet auch Richard Brockmanns Name. Bewerben kann man sich um eine Schulratsstelle nicht, freie Stellen werden mit einem Kandidaten aus der Liste besetzt, den das Ministerium für die konkrete Stelle für geeignet hielt. Das heißt auch, dass im Ruhrgebiet Bewerber mit SPD-Parteibuch oder als Mitglied der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) eher ihre Chance bekommen, im Münsterland und im Sauerland sind es die CDU-Mitglieder, die oft zum Verband Bildung und Erziehung (VBE) gehören.
Die grundsätzlichen Geburtsfehler dieser Personalauswahl für die Schulaufsicht:
- Die Annahme, der gute Schulleiter werde ein guter Schulrat sein, ist falsch.
- Das Gewicht der Leistung im eigenen Unterricht ist in den dienstlichen Beurteilungen dieser Zeit unverhältnismäßig groß. Wer einmal Schulrat ist, unterrichtet nie wieder.
- Zugehörigkeiten zu Lehrerverbänden und politischen Parteien sind unangemessene Kriterien.
Ein Bick in die Landesverfassung:
Artikel 80
Die Beamten und sonstigen Verwaltungsangehörigen sind Diener des ganzen Volkes, nicht einer Partei oder sonstigen Gruppe. Sie haben ihr Amt und ihre Aufgaben unparteiisch und ohne Rücksicht auf die Person nur nach sachlichen Gesichtspunkten wahrzunehmen. (Hervorhebung durch Autor HV)
Richard Brockmann wartet übrigens mehr als zehn Jahre auf seine Ernennung zum Schulrat; zu diesem Zeitpunkt gibt es die Liste im Ministerium schon nicht mehr. Wie gesagt, in einer politischen Partei ist er nicht.
Wie wurde man vor 40 Jahren Schulrat?
Richard Brockmann unternimmt um 1980 einen weiteren Versuch. Jetzt gibt es ein Verfahren, dass eine Bewerbung um eine Schulratsstelle an den Anfang setzt. Im Amtsblatt des Ministeriums werden die Stellen ausgeschrieben. Angesichts des Ansehens, das Schulräte genießen – bei Lehrern manchmal verbunden mit Angst vor seinen Unterrichtsbesuchen – melden sich viele Interessenten – fünfzig und mehr sind keine Seltenheit.
Die Besoldungslage hat sich in den siebziger Jahren verbessert, damit wird eine solche Stelle attraktiver. Ein Schulrat wird nicht mehr nach A13, sondern nach A14 mit einer Zulage besoldet, darüber hinaus frühestens nach vier Jahren zum Schulamtsdirektor (A15) befördert. Er wird damit wie die Dezernenten der Bezirksregierung besoldet, die nun Regierungsschuldirektoren heißen.
Das Auswahlverfahren ist schlanker geworden: Es gibt eine dienstliche Beurteilung, die auf einer Revision mit Einsicht in den Unterricht des Bewerbers, Konferenzleitung, Beratung einer Lehrkraft und Kolloquium durch obere (Bezirksregierung) und untere Schulaufsicht (Schulamt für den Kreis) beruht. Es folgt ein Gespräch in der Schulabteilung der Bezirksregierung, die dem Ministerium einen Besetzungsvorschlag macht.
Auch hierzu ein fiktives Beispiel. Der Protagonist heißt diesmal Johann Wegmann. Er ist ebenfalls Leiter einer Hauptschule, nach Ansicht der zuständigen Schulrätin hat er sich bewährt. Bei einem Besuch in der Schule legt Schulamtsdirektorin Antonia Alfers ihre Unterlagen beiseite und sagt: „Herr Wegmann, jetzt sind Sie 40 Jahre alt, wollen Sie sich nicht noch einmal verändern? Beispielsweise auf eine Schulratsstelle versetzt werden? Ich bin überzeugt, Sie könnten das.“
Wegmann schluckt, denkt kurz nach und fasst sich dann: „Das würde Veränderungen für die ganze Familie bedeuten, Umzug, neue Schulen für die Kinder. Und was machen wir mit unserem Eigenheim? – Ich denke darüber nach und spreche mit meiner Frau.“ Antonia Alfers ist mit dieser Antwort zufrieden und verabschiedet sich.
Wegmanns Frau kann sich mit dem Gedanken einer Beförderung ihres Mannes anfreunden, will aber ein Wort mitsprechen, wenn es um den neuen Dienstort geht.
Wenn das Ergebnis der Beurteilung lautet, dass die Leistung den Anforderungen „voll“ entspricht oder gar besser, vielleicht aber auch schwächer ist, kann man zum Schulrat ernannt werden, selbst dann, wenn es leistungsstärkere Bewerber gibt. So nimmt es nicht Wunder, dass immer wieder Korrelationen zwischen Partei-, Verbands- oder Gewerkschaftszugehörigkeit des jeweils zuständigen schulfachlichen Dezernenten der Bezirksregierung einerseits und den in ihren Bezirken ernannten Schulräten andererseits gibt.
Dieses Verfahren führt nun dazu, dass Richard Brockmann 1981 seine lang ersehnte Schulratsstelle erhält. Wegmann allerdings muss noch warten. Er ist auch nicht in einer politischen Partei.
Wie wurde man vor 30 Jahren Schulrat?
Immer noch sind – um 1990 – die Bewerberzahlen hoch; das Verfahren hat sich nicht wesentlich verändert. Weil sich die Trennung der Volksschule in Grundschule und Hauptschule einschließlich der zugehörigen Lehrerbildung etabliert hat, kommen zur Revision nun zwei Dezernenten der Bezirksregierung mit dem örtlichen Schulrat. Der eine ist für Grundschulen, der andere für Hauptschulen zuständig. Anders ist die Situation in den Schulämtern für die Kreise und kreisfreien Stadt: hier beaufsichtigen viele Schulräte Grundschulen und Hauptschulen, manche auch noch Sonderschulen ihres jeweiligen Bezirkes. Wegen der kommunalen Neugliederung in den siebziger Jahren gab es fast immer mehrere Schulräte in den Staatlichen Schulämtern der gewachsenen Kreise und kreisfreien Städte.
Im Auswahlverfahren gibt es eine wesentliche Änderung: Verwaltungsgerichte haben die Praxis gekippt, wonach die unterschiedlichen Leistungen bei einer Stellenbesetzung im öffentlichen Dienst keine Rolle spielen, solange die schulfachliche Leistung des zu ernennenden Bewerbers den Mindestansprüchen genügt. In sogenannten „Konkurrentenklagen“ haben unterlegene Bewerber Erfolg gehabt, wenn sie sich zum Beispiel auf eine bessere Leistungsnote in der dienstlichen Beurteilung anlässlich ihrer Bewerbung berufen konnten. Jetzt gilt, dass grundsätzlich der Geeignetere, der Befähigtere, der Leistungsfähigere den Vorrang bekommt.
Die Verwaltungsrichter haben nämlich ins Grundgesetz geschaut:
Artikel 33
(1) …
(2) Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte.
(3) …
Dienstliche Beurteilungen entscheiden jetzt im Wesentlichen mit der Leistungsnote im Auswahlverfahren über die Besetzung. Sie unterliegen nur begrenzt der Überprüfbarkeit durch Verwaltungsgerichte. Damit bieten dienstliche Beurteilungen, die weitgehend frei formuliert werden, für die schulfachlichen Dezernenten Gestaltungsspielraum bei der Besetzung der freien Stellen. Der Parteikollege oder die Kollegin aus dem bevorzugten Berufsverband bzw. der bevorzugten Gewerkschaft hat so trotz allem größere Chancen, ernannt zu werden. Weil das der Leitung der Schulabteilung auffällt, wird die Endnote der dienstlichen Beurteilung nicht mehr am Ende der Revision in der Schule durch die schulfachlichen Dezernenten festgesetzt und bekannt gegeben, sondern erst nach einem Kolloquium, das zwischen Leitung der Schulabteilung, den beiden zuständigen Dezernenten und dem Bewerber geführt wird. Damit – so hofft man – wird das Verfahren objektiver.
Wegmann bewirbt sich Ende der 80-er Jahre abermals. Eine neue dienstliche Beurteilung muss erstellt werden, weil die letzte mehr als drei Jahre alt ist. Diese schließt mit der Höchstnote ab, daher wird er unmittelbar befördert und in eine Schulratsstelle eingewiesen.
Wie wurde man vor 20 Jahren Schulrat?
Immer noch gibt es – um das Jahr 2000 – etliche Bewerber um Schulratsstellen, wenn auch mit abnehmender Tendenz. Um mögliche Bewerber zu rekrutieren, wird ein bislang eherner Grundsatz aufgegeben. Dieser Grundsatz lautete: Niemand wird im eigenen Bezirk Schulaufsichtsbeamter. Diese Maxime führte zu einem erheblichen Pendlerverkehr: Nur wenige Schulleiter zogen nach der Ernennung an den neun Dienstort; sie stellten in der Regel nach wenigen Jahren einen Versetzungsantrag in den Heimatkreis. Nun also geht es auch anders, man kann zuhause wohnen bleiben und sofort wohnortnah Schulrat sein. Immer mehr selbstbewusste Schulleiter gehen auf die Anforderung, sich um eine Schulratsstelle zu bewerben, nicht ein.
Die Zurückhaltung potenzieller Bewerber hat Gründe:
- Die Arbeit eines Schulaufsichtsbeamten unterscheidet sich von der des Schulleiters fundamental: Man hat es fortan mit Papier über Schüler, nicht mehr unmittelbar mit Kindern und Jugendlichen zu tun. Es kommt vor, dass ein Schulleiter schon nach wenigen Wochen im Schulamt das Handtuch wirft und in seine Schule zurückkehrt. Das ist beamtenrechtlich möglich, weil die Beförderung zum Schulrat erst nach sechs Monaten Bewährung ansteht.
- Der Schulleiter hat pädagogische, organisatorische und Verwaltungsaufgaben. Er ist für alles in seiner Schule zuständig und in einem gewissen Sinne auch verantwortlich, während man sich als Schulrat die Aufgaben mit mindestens dem Landrat und gleichberechtigten Kollegen teilt.
Das Verfahren zur Auswahl eines geeigneten Bewerbers verändert sich wieder. Die dienstlichen Beurteilungen werden durch die Dezernenten der Bezirksregierung erstellt, wie gehabt. Neu hingegen ist ein Gespräch im Schulministerium in Düsseldorf, das der Bewerber absolvieren muss. Nun ist eigener Unterricht des künftigen Bewerbers im Verfahren nicht mehr ausdrücklich vorgesehen; manche Einsicht braucht lange.
Die Richtlinien zur dienstlichen Beurteilung vom 2. Januar 2003 sehen Folgendes vor:
„4.3.1 Eine Beurteilung, die aus Anlass der Bewerbung um ein Amt in der Schulaufsicht erstellt wird, muss, unabhängig davon, dass Ämter in der Schulaufsicht eine besondere Qualifikation in bestimmten Fächern/Fachrichtungen voraussetzen können, unter anderem Aufschluss geben über
a) die Fähigkeit zur Bewertung fremden Unterrichts und zur Beratung und Beurteilung der Unterrichtenden,
b) die Fähigkeit zur Konferenz- und Gesprächsleitung,
c) die Fähigkeit, Schulentwicklung bzw. Seminarentwicklung zu fördern sowie entsprechende Entwicklungsmaßnahmen zu bewerten,
d) die Fähigkeit, Maßnahmen der Personalentwicklung zu planen und durchzuführen,
e) Befähigung und praktische Erfahrung in Fragen der Gleichstellung von Frau und Mann,
f) die Kenntnisse sowie die Darstellungs- und Argumentationsfähigkeit in Angelegenheiten der Schulverwaltung – unter besonderer Berücksichtigung der Stellung des Schulträgers – und in allgemeinen schulfachlichen, pädagogischen, schulorganisatorischen und schulrechtlichen Fragen,
g) die Mitarbeit bei überörtlichen schulischen Aufgaben (z.B. Lehrplanentwicklung, Lehrerfortbildung),
h) Befähigung und praktische Erfahrung in Belangen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes,
i) Befähigung und praktische Erfahrung in Fragen der Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen.
– Beurteilungsrichtlinien NRW 2003
Selbst unterrichten zu können, ist demnach kein Kriterium mehr.
Ein wichtiges Kriterium zur Auswahl eines geeigneten Bewerbers ist nun neu: Die Regelungen zur Frauenförderung führen dazu, dass bei gleicher Eignung und Leistung eine weibliche Bewerberin einem männlichen Bewerber vorzuziehen ist. (Analoges gilt für die Bewerbung von Schwerbehinderten.) Eine neue Form der Kommunikation zwischen den verschiedenen Stufen der Schulaufsicht – die Zielvereinbarung – führt dazu, dass zwischen Schulministerium und Bezirksregierungen ebenso wie zwischen Bezirksregierungen und Schulämtern unter anderem Vereinbarungen zur Frauenförderung getroffen werden. Das Maß des Erfolges ist der Prozentsatz an Frauen, der in bestimmten Ämtern Dienst tut. In den Leitungen von Grundschulen ist dieser Prozentsatz zu diesem Zeitpunkt schon erreicht, bei den Schulaufsichtsbeamten (Schulräte, Schulamtsdirektoren, Regierungsschuldirektoren) nicht. Da trifft es sich zum Beispiel gut, wenn einem Dezernenten bei seinen Schulbesuchen eine junge Kollegin auffällt, die zu fördern dem vereinbarten Ziel entspricht, das er dann konsequent verfolgt. (Manchmal gibt es dann Turbo-Beförderungen.)
Natürlich werden nach wie vor auch Männer zu Schulräten befördert; für die Erfüllung der Zielvereinbarungen gibt es – besonders im Bereich der beiden Sekundarstufen – zu wenige Bewerberinnen.
Die letzten zehn Jahre
In allen hier betrachteten Dekaden wechselten Verfahren bei Rekrutierung und Auswahl von Bewerbern für die Schulaufsicht. Jetzt gibt es einen normierten Beurteilungsbogen, während dienstliche Beurteilungen früher frei formuliert wurden und sich zu oft auf den Tag der Revision in der Schule (Unterricht, Konferenzleitung und Kolloquium) beschränkte.
Zum 1. Januar 2018 treten in NRW noch einmal neue Richtlinien zur dienstlichen Beurteilung von Lehrkräften in Kraft. Hier wird der Perspektivenwechsel zur Bewertung der Leistungen in einem längeren Zeitraum deutlich hervorgehoben.
„9.9 Beurteilung vor der Übertragung eines Amtes in der Schulaufsicht
- ein Leistungsbericht, sofern der zu beurteilenden Person noch kein Amt einer Schulleiterin/eines Schulleiters oder einer Leiterin/eines Leiters eines Zentrums für schulpraktische Lehrerausbildung übertragen wurde
- ein Beurteilungsbeitrag der zuständigen Schulaufsichtsbeamtin oder des zuständigen Schulaufsichtsbeamten
- ein schul- oder ausbildungsfachliches Gespräch durch die Abteilungsleiterin oder den Abteilungsleiter der Schulabteilung der Bezirksregierung.“
– Beurteilungsrichtlinien 2018
Die Zahl der Bewerber sinkt kontinuierlich. In den letzten Jahren haben Änderungen in der Entwicklung der Schulen im Bereich der ehemaligen Volksschulen dazu geführt, dass nur noch im Bereich der Grundschulen die Arbeit der Schulämter für die Kreise und kreisfreien Städte eine sinnvolle Aufgabe für Schulaufsichtsbeamte darstellt. Hier mag gelten, was auf der Website lehrerseite.com/befoerderung/ zu lesen ist, allerdings nicht unmittelbar auf NRW bezogen:
Wer in die Schulaufsicht wechseln will, muss für das Beamten- oder Behördendasein geschaffen sein und mit den dort vorgefundenen hierarchischen und bürokratischen Strukturen zurecht kommen. Das bedeutet nämlich Abkehr von den Ferienzeiten der Schule und Abkehr von der recht freiheitlichen Arbeitsweise der Schule, die gegen die Arbeit in kargen Amtszimmern, freudlosen Besprechungsräumen unter Beachtung von Stechuhr, Abwesenheitsmeldungen und Reisekostenabrechnungen eingetauscht werden muss. Allerdings ist diese Tätigkeit deutlich stressfreier als Unterrichts- und Verwaltungsarbeit in der Schule, denn vom grünen Tisch aus lassen sich Probleme und Konflikte wesentlich distanzierter und leichter lösen als im direkten Angesicht von Eltern, Lehrkräften oder Schülern. Man muss auch noch zwischen der unteren und der oberen Schulaufsicht unterscheiden: für die Grundschulen gibt es noch Schulrätinnen und Schulräte, die auf kommunaler Ebene die Schulaufsicht bilden. Hier ist die Zusammenarbeit mit den kommunalen und politischen Gremien der Gemeinden oft noch sehr persönlich. Schulrätinnen und Schulräte sind in ihrem Schulamt kleine Königinnen und Könige vor Ort. Hier gibt es keine Stechuhren, vielfach sehr schön eingerichtete Büros und Arbeitszeiten, die mehr durch den eigenen Terminplan als durch die vorgeschaltete Hierarchie bestimmt sind. Für einen Grundschulrektor mit A13 ist z.B. die Beförderung zum Schulrat (A14) und anschließend zum Schulamtsdirektor (A15) ein durchaus ernstzunehmender Aspekt in seiner Karriereplanung.
lehrerseite.com/befoerderung/
Die rasant rückläufige Zahl von Hauptschulen hat dazu geführt, dass ein Schulrat drei verschiedene Dienstorte zu bearbeiten hat – die wenigen Hauptschulen in zwei Kreisen, zudem noch eine spezielle Aufgabe in der Schulabteilung der Bezirksregierung. Ähnliches gilt für die Aufsicht über Förderschulen, deren Zahlen im Zuge der Inklusion ebenfalls stark abnahmen.
Sinnvoll wäre es, die Schulämter in ihrer bisherigen Form auf die Zuständigkeit für Grundschulen zu beschränken und die Hauptschulen wie auch alle Förderschulen der oberen Schulaufsicht (den Bezirksregierungen) zuzuordnen. Die untere Schulaufsicht wäre dann nur noch für Grundschulen zuständig.