Sind Sie so auch schon einmal angesprochen worden? Ich kann von drei Ereignissen in letzter Zeit berichten. Auch wenn es nicht unmittelbar um ein schulisches Thema geht, sondern einfach um Grammatik, will ich es hier kurz behandeln. Es geht insofern um den Unterricht in der Schule, als die Lehrerinnen und Lehrer sich nach Kräften bemühen, den Kindern jeglicher Herkunft die deutsche Sprache in Schrift und Wort richtig und gut zu vermitteln. Und dazu ist manches nicht geeignet.
- Da war zuerst der Brief an die Mitglieder eines Vereins. Der Vorsitzende lud zu einer Mitgliederversammlung ein und sprach beziehungsweise schrieb die Adressaten mit „Liebe Mitgliederinnen und Mitglieder“ an. – Der Sinn dieser Anrede erschloss sich mir nicht. Ich überlegte kurz, ob hier jemand die ernsthaften Verfechter einer sprachlichen Transformation – weg von generischen hin zu biologischen Geschlechtsbezeichnungen – auf den Arm nehmen wollte.
- Das passte wohl eher zu der Einladung eines anderen Vereins, die sich der gleichen Form bediente. Dieser Verein ist durch Satzung zu Späßen verpflichtet. (Nein, ich bin kein Mitglied.) Aber gerade diese Vereine verfolgen ihren Auftrag in aller Regel sehr ernsthaft. Deshalb: Wohl auch hier keine einleuchtende Erklärung für die „Mitgliederinnen“.
- Nachdem ich diese Anrede zum ersten Mal live hörte, schwante mir: Hier wird gedankenlos ein Trend in vorauseilendem vermeintlichen Gehorsam übererfüllt. Der Moderator eines „Gala“-Abends sprach die Mitglieder der Genossenschaft in eben der erwähnten Form mit „Liebe Mitgliederinnen und Mitglieder“ an. Auch dieser Herr bemühte sich um Fröhlichkeit, aber ich wurde den Verdacht nicht los, dass er es mit den „Mitgliederinnen“ ebenfalls ernst meinte.
Es geht mir hier nicht um eine Runde im Kampf um Gendersternchen oder Ähnliches. Es geht einfach darum, dass die Wortbildung Mitgliederin erstens nicht existiert und zweitens völlig sinnfrei ist.
Es heißt nun einmal das Mitglied, nicht der oder die Mitglied, nicht männlich, nicht weiblich, sondern sächlich. (Oder in den lateinischen Bezeichnungen: Weder Maskulinum noch Femininum sondern Neutrum.) Damit ist das Wort Mitglied weder in der Einzahl noch in der Mehrzahl für den Kampf gegen das generische Maskulinum geeignet. (Und gegen das generische Femininum, das man ja schnell übersieht, auch nicht.)
Ähnlich ist es bei dem Wort Kind. Auch hier ist das einzelne Kind männlich (Junge) oder weiblich (Mädchen), in der Mehrzahl sind Kinder beider Geschlechter gemeint. Keiner käme auf die Idee, eine Kindergruppe mit „Liebe Kinderinnen und Kinder“ anzusprechen. Der Artikel „das“ beschreibt kein biologisches Geschlecht, es ist grammatisch gesehen ein generisches Neutrum. (Es gibt nicht nur das generische Maskulinum (der Hund) oder das generische Femininum (die Person), sondern auch das generische Neutrum (das Volk)).
Also, liebe Follower und andere Leser, die Vielzahl von sprachlichen Neubildungen mit einer unübersichtlichen Zahl von Sonderzeichen und Wörtern ist von den Urhebern ohne Zweifel gut gemeint. Aber in Bereichen, wo es der Zielsetzung des neuen Soziolekts, das biologische Geschlecht sichtbarer und hörbarer werden zu lassen, nicht dient, sollte man nicht in einer unangebrachten Weise eine Art von vorauseilendem Gehorsam praktizieren. Schulkinder und andere, die die deutsche Sprache in Wort und Schrift richtig erlernen wollen, haben es mit den hergebrachten Regeln schon schwer genug. Da muss es nicht unnötig kompliziert und falsch vormachen.