Beitragsbild: Meister des Codex Manesse, Public domain, via Wikimedia Commons
Beispiel Nordrhein-Westfalen
Wer schon so lange dabei ist wie ich, reibt sich verwundert die Augen: In Nordrhein-Westfalen sollen alle beamteten Lehrkräfte mindestens nach A 13 besoldet werden, Angestellte werden tarifvertraglich ähnlich gestellt. Das ist besonders für die Lehrer an Grund- oder Hauptschulen interessant, denn sie sind von altersher unterbezahlt. Für das Lehramt an der Sekundarstufe I und das Lehramt an der Primarstufe gilt die Neuregelung analog.
Schalten wir einmal weit zurück. Anfang des Jahres 1964, kurz vor der Reifeprüfung, fuhr unsere Klasse, die O I a (Oberprima a) mit einigen Lehrkräften ins Kleine Walsertal zu einem Skikurs. Im Zug saßen die begleitenden Lehrkräfte in einem eignen Abschnitt und unterhielten sich. Ich saß in der Nähe und hatte mich entschieden, nach dem Abitur ein Studium an der Pädagogischen Hochschule aufzunehmen; mein Ziel war, zunächst Volksschullehrer und dann Sonderschullehrer zu werden. In dieser Zeit wurde ein „Statusgesetz“ beraten und beschlossen, das die Pädagogischen Hochschulen zu wissenschaftlichen Hochschulen beförderte. In der Folge konnten sie ein Promotions- und später ein Habilitationsrecht entwickeln, auch der Abschluss „Dipl.-Pädagoge“ wurde jetzt an der PH möglich. Die Studienräte und -rätinnen unterhielten sich während der Fahrt über diese Entwicklung und fanden sie zu witzig: Volksschullehrer sollten promovieren können – „Dr. paed“? Sie lachten und klopften sich auf die Schenkel.
Diese Studienräte wurden nach A 13 besoldet, Volksschullehrer nach A 11. Als ich 1967 meine erste Gehaltsabrechnung als Lehrer der zweiklassigen Volksschule in Beerlage-Temming erhielt, stand im Bescheid der Bezirksregierung die Besoldungsstufe A 11 und im Bescheid des LBV (Landesamt Besoldung und Versorgung) die Summe Netto 900,39 DM.
Schulformbezogene Lehrämter
Die künftigen Studienräte legten damals am Ende ihres Studiums eine Erste Staatsprüfung für das Lehramt an Gymnasien ab, die sie „Wissenschaftliche Prüfung“ nannten. Sie hatten ein Fachstudium in Mathematik, Romanistik, Germanistik, Physik etc. hinter sich. Als Feigenblatt für den didaktischen oder pädagogischen Aspekt des künftigen Berufs diente eine Veranstaltung beispielsweise über Fröbel oder andere historische Erzieher, auch systematische Themen der Universitätspädagogik. Es folgten 18 Monate schulpraktischer Ausbildung als Beamte auf Widerruf (mit geringem Gehalt) in Studienseminaren und Ausbildungsschulen. Dann kam die Zweite Staatsprüfung, die sie „Pädagogisches Prüfung“ nannten. Womit sie klarmachten: Pädagogik und Didaktik waren eine Art Handwerkszeug für die Ausübung der Unterrichtspraxis, aber eben keine Wissenschaft. Was auch damals schon falsch war.
Volksschullehrer übernahmen nach der Ersten Staatsprüfung für das Lehramt an Volksschulen als Beamte auf Probe (mit vollem Gehalt) fast vollen Unterricht, visierten zwei Stunden in der Woche bei einem Mentor und besuchten einmal ganztags oder zweimal halbtags eine Junglehrer-Arbeitsgemeinschaft – zweieinhalb bis vier Jahre lang. Danach folgte die Zweite Staatsprüfung.
Besoldet wurden die Volksschullehrer zu der Zeit mit A 11, später (Grund- und Hauptschullehrer) A 12, die Realschullehrer mit A 12, später A 13, die Studienräte mit A 13, später A 13 plus Zulage.
1968 wurde die Ausbildung der Volksschullehrer der von Real- und Gymnasiallehrern angeglichen: Auch sie absolvierten jetzt als Beamte auf Widerruf einen Vorbereitungsdienst in Bezirksseminaren und Ausbildungsschulen. Das Lehramt, das sie erwarben, war dem der Volksschullehrer angeglichen: Sie wurden Lehrkräfte an Grund- und Hauptschulen.
Fallbeispiel 1
Wenn die Stelle des Leiters einer Gesamtschule zu besetzen war, erhielt ihr Inhaber A 16, wenn er das Lehramt für Gymnasien erworben hatte. Für dieselbe Stelle erhielt der Inhaber A14, wenn er aus der Volksschule bzw. aus der Hauptschule kam. Die gleiche Arbeit, dieselbe Verantwortung, aber zwei Stufen Unterschied in der Besoldung.
Schulstufenbezogene Lehrämter
Die Dünkel und Privilegien der gymnasialen Lehrkräfte hielten sich lange. Sie überlebten auch das Lehrerausbildungsgesetz von 1974. Darin wurde festgelegt, dass Lehrer nicht mehr für eine Schulform, sondern für eine Schulstufe ausgebildet wurden. Es gab danach das Lehramt für die Primarstufe, die Sekundarstufe I und die Sekundarstufe II. Wer das Lehramt für die Sekundarstufe I erworben hatte, konnte in den Klassen 5 bis 10 der Hauptschule, der Realschule, des Gymnasiums und der Gesamtschule unterrichten. Wer das Lehramt für die Sekundarstufe II erworben hatte, konnte in den Klassen 11 bis 13 in der Gesamtschule, im Gymnasium und in den Berufsschulen unterrichten und hatten „Studienrat“ als Amtsbezeichnung. Für den Gymnasiallehrer, der in sämtlichen Klassenstufen unterrichtete, waren im Grundsatz zwei Lehrämter erforderlich, das Lehramt für die Sekundarstufe I und das für die Sekundarstufe II. Es gab allerdings schon bald Marscherleichterung für die Studienräte – Lehramt Sekundarstufe II –, indem ihnen in einer kurzen Zusatzqualifizierung das Lehramt für die Sekundarstufe I zuerkannt wurde.
Fallbeispiel 2
Wenn Frau Müller und Herr Meier das Lehramt für die Sekundarstufe I erworben hatten, beide bei denselben Professoren und Dozenten studiert, im selben Seminar die zweite Ausbildungsphase absolviert hatten, konnte es nach dem Lehrerausbildungsgesetz von 1974 sein, dass Frau Müller eine Stelle am Gymnasium bekam (Einsatz in den Klassenstufen 5 bis 10) und Herr Meier an einer Hauptschule eingesetzt wurde. Frau Müller bekam ein Gehalt, das sich am Studienratsgehalt A 13 plus Zulage orientierte, Herr Meier aber nur A 12, gut 600 DM weniger.
Salto rückwärts: Schulformbezogene Lehrämter
Unter der CDU/FDP-Regierung gab es wieder schulformbezogene Ausbildungen und Prüfungen. Das legte das „Gesetz über die Ausbildung für Lehrämter an öffentlichen Schulen (Lehrerausbildungsgesetz – LABG) Vom 12. Mai 2009“ fest.
„ § 3 Lehramtsbefähigungen
(1) Es gibt folgende Lehrämter (Lehramtsbefähigungen):
1. Lehramt an Grundschulen,
2. Lehramt an Haupt-, Real- und Gesamtschulen,
3. Lehramt an Gymnasien und Gesamtschulen,
4. Lehramt an Berufskollegs,
5. Lehramt für sonderpädagogische Förderung.
(2) …“
Die Lehrämter 1. und 5. – an Grundschulen und für sonderpädagogische Förderung – blieben weitgehend unverändert; es änderte sich die die Terminologie. Das Lehramt 2. – an Haupt-, Real- und Gesamtschulen war das vormalige Lehramt für die Sekundarstufe I, allerdings vermindert um den möglichen Einsatz an Gymnasien. Nun blieben also die Studienräte wieder unter sich. Das Lehramt an Gymnasien und Gesamtschulen umfasste – wie vor der Einführung stufenbezogener Lehrämter – die Klassen 5 bis 13 bzw. 12.
Und nun die aktuelle Angleichung der Besoldung
„Die Eckpunkte für die Anpassung der Lehrkräftebesoldung lauten:
- Die Besoldung der Lehrkräfte der Primarstufe und Sekundarstufe I der Besoldungsgruppe A 12 wird in fünf Schritten in die Besoldungsgruppe A 13 überführt.
- Es erfolgt keine Unterscheidung zwischen Lehrkräften, die ihre Ausbildung nach Lehrerausbildungsgesetz 2009 absolviert haben und sogenannten nach altem Recht ausgebildeten Bestandslehrkräften.
- Rückwirkend zum 1. November 2022 erhalten alle Lehrkräfte der Primarstufe und Sekundarstufe I der Besoldungsgruppe A 12 eine monatliche (ruhegehaltfähige) Zulage in Höhe von 115,- Euro. Die Zahlung der Zulage wurde bereits, im Wege von Abschlagszahlungen, rückwirkend zum 1. November 2022 mit der Bezügezahlung für den Monat Januar 2023 aufgenommen.
- Die Zulage erhöht sich jährlich jeweils zum 1. August – und zwar ab 1. August 2023 auf 230,- Euro, ab dem 1. August 2024 auf 345,- Euro und ab dem 1. August 2025 auf 460,- Euro.
- Zum 1. August 2026 werden schließlich alle Lehrkräfte der Primarstufe und Sekundarstufe I der Besoldungsgruppe A 12 kraft Gesetzes in ein Amt der Besoldungsgruppe A 13 übergeleitet.
- Die Mehrausgaben für die Anpassung der Besoldung der Lehrkräfte belaufen sich allein im Zeitraum 2022 bis 2026 auf knapp 900 Millionen Euro.
Das Gesetz wurde am 25. Mai 2023 vom Landtag verabschiedet. Damit wird der entsprechende Auftrag der Koalitionsvereinbarung 2022 bis 2027 von CDU und GRÜNEN umgesetzt.
Die tarifvertraglichen Folgen der beabsichtigten Änderung des Landesbesoldungsgesetzes für tarifbeschäftigte Lehrkräfte sind in einem Merkblatt dargestellt.“
Quelle: https://www.schulministerium.nrw/besoldung-der-lehrkraefte-der-primarstufe-und-sekundarstufe-i
Es gibt Ärger
Nun ist noch nicht alles neu geordnet, Wichtiges fehlt: Wenn ein Konrektor einer größeren Grundschule oder ein Rektor einer kleineren Grundschule bereits nach A13 besoldet wird, erhält er im Zuge dieser Reform nicht automatisch eine höhere Besoldungsgruppe, z. B.. A 14. Das führt dazu, dass die erste Beförderung mit Blick auf die Besoldung gar keine Beförderung ist. Die Frage stellt, warum soll sich eine Lehrkraft mit den Problemen der Schulleitung plagen, wenn sie nicht mehr Geld bekommt.
Gemach, sagt die Landesregierung. Das kommt schon noch. Opposition (SPD) und Lehrerverbände mahnen das verstärkt an.
Näheres dazu liest man hier:
https://www.news4teachers.de/2024/02/streit-um-die-lehrerbesoldung-trotz-a13-beschluss-die-tuecke-im-detail/
Gegenbeispiel Hamburg
In Beispiel Hamburg verlief die Entwicklung zunächst umgekehrt. Dort waren Volksschullehrer, später Grund-, Haupt- und Realschullehrer mit A 13 besoldet. Sie führten auch die Amtsbezeichnung „Studienrat“. Sie hatten an der Universität, nicht an einer Pädagogischen Hochschule studiert.
Zum 1. August 2003 allerdings begann eine Umstellung für diese Lehrkräfte in Grund-, Haupt- und Realschulen. Sie wurden mit A 12 eingestellt, wie in vielen anderen Bundesländern auch.
Und nun auch hier ein Salto rückwärts, aber in die Gegenrichtung
Zum 1. August 2023 wurden die Lehrkräfte mit A 12 zum Amt des Studienrates mit A 13 überführt, Neueinstellungen starteten mit A 13.
„Von der Anpassung zum 1. August 2023 betroffen sind folgende Beschäftigte:
- Lehrkräfte in der Besoldungsgruppe A 12 mit einem Lehramt der Grundschule bzw. Primarstufe oder einem Stufen übergreifenden Lehramt (z. B. Lehramt der Primarstufe und Sekundarstufe I, Lehramt an Grund- und Hauptschulen) oder mit einem Lehramt für die Sekundarstufe I (z. B. Lehramt an Realschulen oder Lehramt an Mittelschulen)
- ehemalige Stufenlehrkräfte und Studienräte an Volks- und Realschulen, die bis zum 1. August 2003 im Einstiegsamt der Besoldungsgruppe A 13 in Hamburg eingestellt worden sind und keine herausgehobenen Aufgaben oder Funktionsaufgaben wahrnehmen
- tarifbeschäftigte Lehrkräfte“
Quelle: Mitteilungsblatt der Behörde für Schule und Berufsbildung vom 03. Mai 2023
Fazit
Kleine Kinder – weniger Gehalt? Große Kinder – mehr Gehalt? Unsinn. Grundschullehrkräfte lernen zwar weniger Biologie für den Sachunterricht als ein Studienrat für seinen Leistungskurs in Biologie. Dafür ist sehr viel mehr Wissen und Können in Methodik und Didaktik, mehr Wissen um Lernprozesse von Schulkindern erforderlich. Und den Hauptschulen übertrug man in der Praxis die Beschulung von Migranten, Aufnahme von „schwierigen“ Kindern aus anderen weiterführenden Schulen, Beschulung von Kindern von Reisenden (Zirkus, Schausteller …) und vieles mehr. Für diese Aufgaben erklärten viele Gymnasien und Realschulen sich bescheiden als nicht kompetent. Dazu kam, dass die Unterrichtsverpflichtung der Grundschul- wie der Hauptschullehrkräfte höher war als die der Lehrkräfte an anderen Schulformen. Mehr Arbeit, mehr Aufgaben, eine Schülerschaft, die abwertend und arrogant als „Rest“ bezeichnet wurde, Aufnahme von Schülern, die in den anderen Schulformen auffällig wurden, dazu geringere Bezahlung – der weitere Weg der Hauptschule war damit abzusehen. (Hierzu habe ich im Jahr 2014 bereits etwas geschrieben. Hier nachzulesen: Hauptschullehrkräfte – unterschätzt und unterbezahlt.)
Die Hauptschule als Schulform ist dabei auf der Strecke geblieben. Auch Realschulen gaben den Geist auf; sie hätten jetzt viele Aufgaben übernehmen müssen, die bis etwa 2010 die Hauptschulen erledigten. Die werden nun in den integrativen Schulformen erledigt: Sekundarschulen und Gesamtschulen sind hier zuvörderst zu nennen. Und viele Gymnasien haben sich mittlerweile auch auf den Weg gemacht.
Wir leben in Zeiten des Lehrermangels. Diejenigen, die Lehrer werden wollen, streben ins Gymnasium, weil hier die Arbeitsbedingungen besser sind, nicht zuletzt die Bezahlung. Die Angleichung aller Schulformen und -stufen ist gewiss ein Versuch der Politik, zumindest in diesem Punkt die Attraktivität des Berufes zu erhöhen. Warten wir es ab, ob das reicht.
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